Gefährliches Begehren
Schritte getan, da umschloss seine Hand auch schon ihren Ellenbogen. Sie schaute zu ihm auf. »Für jemanden, der sich so viel auf seine guten Manieren einbildet, scheint Ihr mich doch ziemlich oft zu berühren.«
Er starrte sie wütend an. »Wir haben einen Zeitplan, an den wir uns halten müssen, und außerdem noch einige Regeln zu besprechen. Ich habe keine Zeit für Eure Theatralik.«
Sie verdrehte die Augen und entwand ihren Arm seinem Griff. »Ich will keine Zeit mit irgendwelchen Regeln vergeuden.« Sie lächelte ihn kokett an. »Da wir doch einen Zeitplan einzuhalten haben.«
»Wir haben eine Übereinkunft, Lady Alicia. Ihr werdet mir helfen, diesen Mann ausfindig zu machen. Ihr müsst Euch an gewisse Regeln halten, wollen wir Erfolg haben.«
Sie verschränkte die Arme. »Ihr wiederholt Euch, Lord Wyndham. Außerdem kann ich meine Seite der Vereinbarung jederzeit lösen. Ich habe zwei Füße. Ich muss einfach nur durch diese Tür dort gehen.«
»Ich könnte dafür sorgen, dass Ihr dieses Haus nicht verlasst.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Das könntet Ihr versuchen.« Dann zuckte sie die Achseln und zog die Mundwinkel auf jene Art nach oben, die ihn schier wahnsinnig machte. »Aber das würde Euch bei der Suche nach Eurem geheimnisvollen Lord nicht gerade helfen, nicht wahr?« Sie lächelte jetzt richtig und klimperte mit aufgesetzter Koketterie mit den Wimpern. »Ich gebe zu, dass ich mich kaum noch an seine Stimme entsinne.«
Lord Wyndham knurrte. Sie blinzelte, als sie es hörte. »Wart Ihr das?«
Er machte einen Schritt auf sie zu. »Ihr glaubt also, Ihr hättet nichts zu verlieren, wenn Ihr mich derart reizt?«
Sie hob das Kinn. »Ich habe nichts, deshalb kann ich auch nichts verlieren.«
Er machte noch einen Schritt. Sie war ihm noch nie so nah gewesen – jedenfalls nicht stehend. Er war wirklich ein großer Mann. Ein eisiges Kribbeln setzte in ihrem Magen ein, oder war es feurig? Wie auch immer, jedenfalls wurde
ihr Mund ganz trocken, während seine Schultern ihr das Licht nahmen.
»Es gibt immer noch etwas, das man verlieren kann«, sagte er, seine Stimme klang belegt und kroch ihr unter die Haut.
Damit war es geschehen. Ihre Knie wurden weich wie Pudding, und sie taumelte einen Schritt zurück. Oder vielmehr wollte sie einen Schritt zurückweichen. Offensichtlich hatte ihr Körper anderes im Sinn. Sie fand sich fest an seine breite Brust gedrückt wieder.
Überrascht wollte sie sich von ihm lösen, aber es war zu spät. Seine Hände umschlossen ihre Schultern und zogen sie noch näher an sich.
»Lady Alicia, Ihr überrascht mich immer wieder.«
»Und mich selbst«, japste sie. Sie wollte sich von ihm lösen, ganz sicher, aber dann kam ihr ein anderer Gedanke.
Es war derselbe Gedanke, der das ganze Chaos verursacht hatte, das sich jetzt ihr Leben nannte; derselbe Gedanke, der sie im Alter von zwölf Jahren dazu gebracht hatte, zu viele unreife Äpfel zu essen; derselbe Gedanke, der sie in die Arme eines Lügners getrieben hatte.
Immer derselbe Gedanke – und immer war er von den schrecklichsten Konsequenzen begleitet.
Was könnte schlimmstenfalls passieren?
Für sich genommen gar kein schlechter Gedanke. Der Fehler schien immer in ihrer mangelnden Phantasie zu liegen. Das Schlimmste war immer viel, viel schlimmer, als sie es sich vorzustellen vermochte.
Rasch rief sie sich die schrecklichen Dinge vor Augen, die passieren könnten, wenn sie Lord Wyndham küsste.
Er könnte ihren Kuss erwidern. Was gar nicht so schlimm wäre.
Er könnte ihn nicht erwidern. Das wäre schade, aber sie käme darüber hinweg.
Doch dann, in Anbetracht der dunklen Hitze, die sie in diesem Augenblick in ihm spürte, könnte seine leidenschaftliche Erwiderung sie vielleicht in seinem Bett landen lassen … oder vielmehr in ihrem, da sie sich ja in ihrem Haus befanden.
Hm. Sie hatte keinen Ruf zu zerstören und keine Ehre zu verlieren. Was sie jedoch hatte, war ein sehr großes, sehr bequemes Bett und zwei sehr, sehr weiche Knie.
Ja, alles in allem kam sie zu dem Schluss, dass sie Lord Wyndham vielleicht küssen wollte.
Also schloss sie die Augen und legte den Kopf in den Nacken, bot ihm ihre leicht geöffneten Lippen dar. Und wartete.
8. Kapitel
S tanton konnte sich nicht bewegen. Sie war zu nah … zu real.
Es war ein Fehler.
Alicia wartete weiterhin. Als sie schließlich die Augen öffnete, trat sie einen Schritt zurück. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Egal. Ich habe es mir
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