Gefährliches Begehren
»Stimmt. Ihr seht frustriert aus, Wyndham. Lasst uns rein. Vielleicht können wir …«
Garrett erschien neben Stanton. Seine makellose Stirn lag in Sorgenfalten. »Äh, Myladys, Lady Alicia hat mich gebeten, Euch mitzuteilen, dass sie sich im Augenblick nicht in der Lage sieht, Gäste zu empfangen, sich aber darauf freut, Euch alle morgen früh zu sprechen.«
Stanton nickte den Frauen, die Alicia als Sirenen bezeichnet hatte, knapp zu. »Sie wird Euch morgen empfangen. In der Zwischenzeit werde ich meine Untersuchungen fortsetzen, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
Lady Dryden schüttelte den Kopf. »Ihr habt es mit ihr vermasselt, nicht wahr, Wyndham?«
Lady Greenleigh nickte. »Es steht Euch ins Gesicht geschrieben, Mylord. Und ich glaube nicht, dass dieser fantastisch aussehende junge Mann nur uns meint. Ich glaube, Ihr seid ebenfalls bis morgen früh entlassen.«
Stanton warf Garrett einen Blick zu. Dieser zuckte bedauernd die Schultern. »Es tut mir leid, Mylord, aber meine
Herrin hat darum gebeten, dass Ihr das Zimmer verlasst.«
Da wurde er nun von einer irren, anmaßenden Hexe aus seinem eigenen Schlafzimmer geworfen, und wahrscheinlich nahm sie auch noch an, dass er sie auf Knien darum anbetteln würde, in seinem elendigen Sessel schlafen zu dürfen.
Stanton gelang es irgendwie, nicht mit der Stirn gegen die nächste Wand zu schlagen. Er würde seine ganze Energie benötigen, um im Kampf gegen die Verschwörer zu bestehen. Er hatte nichts für Herzensangelegenheiten übrig.
Als Stanton wenige Minuten später über dem bewusstlosen, betrunkenen Gentleman aus dem Garten stand, musste er zugeben, dass der Kerl nicht gerade so aussah, als könnte er für irgendjemanden außer sich selbst eine Gefahr darstellen.
Aber Verschwörer sahen nun mal aus wie jeder andere. Er musste vorsichtig sein, nicht wieder in diese Falle zu tappen, so wie die Liars dem »harmlosen« Kammerdiener Denny erlaubt hatten, sich so lange in ihrem Dunstkreis aufzuhalten. Es war etwa mit der Tatsache zu vergleichen, dass er immer wieder vergaß, dass die hübsche Lady Alicia eine notorische Lügnerin war. Der Kerl auf dem Boden mochte ein ebenso fähiger Meister der Verwandlung sein wie die Schimäre selbst. Womöglich spielte er im Augenblick auf Lord Cross’ Salonteppich die Rolle des sinnlos Betrunkenen.
Stanton tippte den Mann mit der Fußspitze an. Er reagierte nicht. Er versuchte es noch einmal, diesmal jedoch ein wenig fester.
»Au!« Der Kerl schnaubte und rollte herum, wobei er sich die Seite hielt. »Ihr habt mich getreten!«
»Das bildet Ihr Euch ein«, erwiderte Stanton. Er ließ sich
auf ein Knie nieder, um dem Mann besser ins Gesicht sehen zu können. »Ich will, dass Ihr mir etwas sagt. Habt Ihr verstanden?«
Der Mann blinzelte und nickte. »Hä?«
Gut. Der Kerl war wahrscheinlich nicht derjenige, der sich die ganze Aktion ausgedacht hatte. Stanton stützte seine verschränkten Arme auf sein Knie. »Wo wart Ihr vor genau zwei Wochen?«
Der Mann blinzelte mehrmals rasch hintereinander, dann deutete er mit dem Zeigefinger vage nach Süden. »Brighton. Mit Prinny.«
Stanton richtete sich auf. Wenn das stimmte, hatte der Kerl ein hieb- und stichfestes Alibi – und Lady Alicia wäre der Lüge überführt! Er gab einem der Lakaien von Lord Cross ein Zeichen und bat um Papier und Tinte. Als man es ihm brachte, kritzelte er eine rasche Nachricht an den Prinzregenten. Sie bestand aus einer einzigen Zeile.
»War Ogilvy vor zwei Wochen die ganze Nacht bei Euch?« Der Lakai eilte mit der Nachricht davon. Stanton wartete, und Ogilvy schnarchte. Binnen weniger Minuten kehrte der Lakai außer Atem zurück, und Stanton hatte seine Antwort. »Ja.« Unterzeichnet war es mit dem unverkennbaren G.
Die Suche war vorbei, und er hatte den falschen Mann.
Wenn es denn jemals eine Verschwörung gegeben hatte.
Was könnte Lady Alicia durch eine solche Lüge erreichen?
Hast du sie heute Nacht denn nicht in diesem Kleid gesehen? Wenn sie sich jetzt einen Beschützer nehmen will, dann hat sie die freie Auswahl. Und du hast ihre Verwandlung von der ruinierten Jungfer in die glamouröse Kurtisane aus deiner eigenen Tasche bezahlt.
Der Prinzregent könnte die Frage falsch verstanden haben. Stanton verließ den besinnungslosen Ogilvy und machte sich zu dem Flügel des Herrenhauses auf, der dem Prinzregenten für die Dauer der Party überlassen worden war.
George war verstimmt und aufgebracht, dass er beim Schlafen gestört
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