Gefährliches Begehren
möglicherweise der ohnehin laxen Kontrolle Georges durch die Vier. Wenn er ihr vertrauen konnte, dann musste er alles aufbieten, um den Verschwörer zu finden.
Wenn er sich nicht für eine Möglichkeit entscheiden konnte, würde er wahrscheinlich bei beidem versagen.
Mit einer raschen Drehung wandte er sich ihr wieder zu. Er nahm sie bei den Schultern und presste sie fest an die tapezierte Wand. Sie riss den Kopf hoch, ihre Überraschung war deutlich in ihren Augen zu lesen.
Ihr Haar, das so herrlich war wie der Sonnenuntergang, war katastrophal unordentlich. Als Folge ihrer wilden Eskapade stand es ihr wirr vom Kopf. Er strich ihr das seidene Durcheinander aus dem Gesicht, um ihr im verzweifelten Verlangen, das zu finden, was er nicht in ihr erkennen konnte, wieder in die Augen zu sehen.
»Was ist die Wahrheit, Alicia?«
Alicia spürte, wie ihr das Herz brach, wie es kopfüber in eine tiefe Grube des Schmerzes stürzte. Sie hatte geglaubt, dass er mehr von ihr wollte, dass seine Rückkehr bedeutete, dass er ihr glaubte und sich ihrer vergewissern wollte, dass ihre Vergangenheit keine Rolle für ihn spielte.
Da hatte sie sich geirrt. Es hörte sich verrückt an, aber er hatte wohl versucht, in sie hineinzusehen. Er hatte sie
für sich zugänglich gemacht, hatte ihre Sehnsucht gegen sie verwendet.
Genau wie Almont.
Sein Gesicht, das ihrem so nahe war – seine dunklen, fragenden Augen, deren Blick so tief in sie zu dringen schien.
Er war ein Fremder. Sie wusste nichts über ihn, außer dem, was er wollte, dass sie es wusste. Er war voller Geheimnisse, Gedanken und Beweggründe, deren sie niemals teilhaftig werden würde.
Und doch wollte er nicht nur die Wahrheit von ihr wissen – die sie ihm immer freiwillig gegeben hatte – nein, er wollte, dass sie das Unbeweisbare bewies.
23. Kapitel
S ie würde den Kampf nicht einfach verloren geben. Sie würde sich nicht verstecken. Sie würde nicht verschwinden, damit er seinen Betrug leichter ertrug.
Sie hob ihre Hände und umschloss sein Kinn. »Ich bin hier nicht allein«, flüsterte sie. »Da ist ein Mann in deinem Innern, der bei mir ist.«
Vielleicht ergab es keinen Sinn, aber ihre Worte ließen etwas in der Tiefe seiner Augen aufflackern. »Ich bin hier bei dir«, sagte er.
Sie lächelte traurig und ließ ihre Fingerspitzen durch das Haar an seinen Schläfen wandern. »Nein. Du bist irgendwo ganz anders. Du bist in einem anderen Zimmer und sprichst mit einer anderen Frau. Was auch immer du glaubst, mit wem du sprichst … das bin nicht ich.« Sie liebkoste die scharfe Erhebung seines Wangenknochens mit ihrem Daumen. »Du sprichst mit der berüchtigten Lügnerin Lady Alicia Lawrence, der einfallsreichen Spielerin und verrufenen Kokotte. Du bist so sehr damit beschäftigt, ihr nicht zu glauben, dass du die Wahrheit nicht erkennst.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und beugte sich vor, um in sein Ohr zu flüstern.
»Diese Frau gibt es nicht«, sagte sie sanft. »Es gab sie nie. Es gibt nur Alicia, naiv und vielleicht ein wenig eingebildet, ein weitestgehend unschuldiges Mädchen, das getäuscht wurde, in die Falle ging und dann auf die Straße geworfen
wurde, nachdem man ihr bis auf einhundert Pfund und eine treue Gouvernante alles genommen hatte.«
Sie lehnte sich zurück und küsste ihn sanft auf den Mund. »Ich kann sie dir vorstellen, wenn du das möchtest.«
Stanton glaubte ihr kein Wort. Er wollte es, denn es würde alles so viel einfacher machen. Dann wäre sogar alles wunderbar. Aber ohne seine besondere Gabe war er verloren, voller Misstrauen und wild wucherndem Zweifel. Wenn sie ihn nun in eben diesem Augenblick manipulierte? Und was, wenn er so sehr von ihr vereinnahmt wurde, dass es keinen Unterschied mehr für ihn machte?
Er musste es wissen. Er musste es zu einem Ende bringen, wie auch immer.
Als sie sich nach ihrem Kuss zurückzog, folgte er ihr, bündelte seine ganze Verzweiflung und sein Drängen in ein intensives Bedürfnis, es endlich zu wissen, und tauchte in ihren Mund ein. Er benutzte alles, wovon er je gehört hatte, alles, was er wusste. Seine Hände glitten über ihren Körper wie die eines Bildhauers, entfachten ihre Leidenschaft, schürten ihr Verlangen. Es war falsch. Es war verlogen. Es war der einzige Weg, der ihm noch offenstand.
Er musste es wissen.
Sie lehnte an der Wand, die Arme weit ausgebreitet, bot ihm mit geschlossenen Augen ihren Hals dar, unterwarf sich seinen Plünderungen wie eine Göttin auf einem
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