Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
lügen? Wollte er es? Wenn er jetzt zu
    Hester oder Callandra hinüberschaute, würde Mills das mit- bekommen, und die Geschworenen würden es auch sehen.
    »Sie zögern, Mr. Monk«, bemerkte Mills. »Sind Sie unsicher?«
    »Natürlich bin ich unsicher!«, fuhr Monk auf. »Ich war nicht dabei. Ich arbeite nur mit dem, was andere mir berichten.«
    »Genau. Und was hat der Priester Ihnen erzählt? Hat er einen Namen, bei dem man ihn nennen kann?«
    »Vater Geissner.«
    »Was hat Vater Geissner Ihnen berichtet, Mr. Monk? Es kann nichts gewesen sein, was ihm unter dem Beicht- geheimnis anvertraut wurde, sonst hätte er es Ihnen nicht gesagt. Ich nehme an, Sie haben ihm offen gesagt, wer Sie sind und was Sie herauszufinden hoffen?«
    »Ja, das habe ich!«
    »Dann sagen Sie dem Gericht, was er Ihnen gesagt hat, wenn ich bitten darf.«
    Pendreigh stand auf, um Einspruch zu erheben, dann setzte er sich wieder, ohne etwas zu sagen. Die Tatsache, dass er unzufrieden war, ohne dass er dafür einen juristischen Grund hatte, richtete mehr Schaden als Gutes an. Monk sah es an den Gesichtern der Geschworenen.
    »Mr. Monk, Sie müssen die Frage beantworten«, befahl der Richter ihm, obwohl in seiner Stimme Höflichkeit lag und sogar eine Spur Mitgefühl.
    Monk war der letzte Zeuge. Es gab niemanden mehr aufzurufen, keinen anderen Verdächtigen vorzuschlagen. Sie waren fast geschlagen. Und doch konnte er nicht glauben, dass Kristian Sarah Mackeson umgebracht hatte, nicht einmal, um seine eigene Haut zu retten. Es war die Tat eines Feiglings, eines durch und durch selbstsüchtigen
    Mannes, und alle – Freunde wie Fremde – hatten dargelegt, dass Kristian das niemals gewesen war.
    »Mr. Monk!«, drängte der Richter noch einmal. »Ich möchte Sie nicht der Missachtung des Gerichts bezichtigen müssen. Und ich möchte auch nicht, dass die Geschworenen annehmen müssen, dass das, was Sie erfahren haben, ein so schlechtes Licht auf den Angeklagten wirft, dass Sie, als sein Freund und als jemand, der im Auftrag seines Verteidigers ermittelt, lieber eine Strafe wegen Missachtung des Gerichts auf sich nehmen, als es uns zu erzählen.«
    Monk fasste den Entschluss mit der gleichen wilden Verzweiflung, die er vielleicht gespürt hätte, wenn er auf einer Klippe das Gleichgewicht verloren hätte. Es war fast ein körperliches Schwindelgefühl, ein Wissen, dass das Unheil unausweichlich auf ihn einstürmte. Und doch hatte er nichts zu verlieren, außer Loyalität, Träume und Illusionen über das, was gut gewesen war.
    Der Richter wollte eben wieder das Wort ergreifen.
    Monk wagte es nicht, Kristian oder Pendreigh anzu- schauen. Hester würde er später gegenübertreten.
    Der Gerichtssaal war von angespanntem Schweigen erfüllt, kaum ein Atemzug war zu hören, alle Gesichter schauten zu ihm hinauf.
    »Er hat mir von Hanna Jakob erzählt, die beim Aufstand Mitglied von Dr. Becks Gruppe war.« Monks Stimme fiel in die wartende Menschenmenge wie ein Stein in ruhiges Wasser. Es war, als verstünde niemand die Bedeutung seiner Worte. Selbst Pendreighs blasses Gesicht war vollkommen ausdruckslos.
    Mills runzelte die Stirn. »Und welche Bedeutung hat das für uns, Mr. Monk? Wieso zögern Sie so lange, bevor Sie antworten?«
    »Es ist eine Tragödie, die ich lieber nicht ans Licht gebracht hätte«, antwortete Monk und schaute geradeaus auf die Schnitzerei an der Wand unterhalb der Anklagebank.
    Die gespannte Erwartung prickelte in der Luft wie winzige Nadeln im Kopf.
    Für einen Rückzieher war es jetzt zu spät. Vielleicht war es berechtigter Zweifel. Es war alles, was noch übrig war, egal, wie viele Träume er zerstörte. »Sie liebte Kristian Beck«, sagte Monk leise, »ebenso wie Elissa von Leibnitz. Sie waren beide tapfer, hochherzig und jung. Elissa war Engländerin und eine sehr schöne Frau. Hanna war Österreicherin und Jüdin.«
    Niemand rührte sich. Es war kein Geräusch zu hören, und doch schien die Emotion im Saal fast die Wände zu sprengen.
    »Sie kämpften beide für die Revolution«, fuhr Monk fort. »Wegen ihres jüdischen Hintergrunds wusste Hanna, dass viele Familien – vor der Emanzipation der Juden, als ihnen die Ausübung zahlreicher Berufe verboten war, sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren, man ihnen vieles verwehrte und sie in ständiger Angst lebten – ihre jüdischen Namen in deutsche Namen geändert hatten. Sie hatten den katholischen Glauben angenommen, nicht aus Überzeugung, sondern um ihren Kindern ein

Weitere Kostenlose Bücher