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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zum Beispiel Sie?«
    Niemann sah leicht überrascht aus.
    »Wurde er gewählt, war er es wegen seines überragenden Wissens oder weil er älter war als die anderen?«, fragte Pendreigh.
    Niemann blinzelte. »Ich glaube, wir waren uns einfach einig«, antwortete er. »Er besaß Entscheidungsfreudigkeit, Mut, die Fähigkeit, Respekt und Gehorsam einzufordern, und Loyalität. Ich erinnere mich nicht, dass wir es explizit entschieden hätten. Es passierte mehr oder weniger.«
    »Aber er war Arzt, nicht Soldat«, führte Pendreigh aus.
    »Wäre es nicht natürlicher gewesen, ihm medizinische Pflichten aufzuerlegen, statt ihm das Kommando über eine Gruppe zu geben, die in erster Linie eine Kampfeinheit war?«
    »Nein.« Niemann schüttelte den Kopf. »Kristian war der
    Beste.«
    »In welcher Hinsicht?«, hakte Pendreigh nach.
    »Widmete auch er sich leidenschaftlich der Sache?«
    »Ja!«
    »Aber Ärzte sind Heilende, im Wesentlichen friedlich«, fuhr Pendreigh unbeirrt fort. »Wir haben sehr viele Be- richte gehört, die bezeugten, dass er sich hingebungsvoll um die Verletzten und Kranken kümmert, ohne auf seinen eigenen Vorteil oder sein Wohlergehen zu achten. Bisher hat niemand ihn als Mann der Tat oder der Kriegsführung beschrieben.«
    Mills rührte sich auf seinem Stuhl.
    »Wenn wir Ihnen glauben sollen, Mr. Niemann«, fuhr Pendreigh drängend fort, »müssen wir das begreifen können. Beschreiben Sie uns Kristian Beck, wie er damals war.«
    Niemann holte tief Luft. Hester sah, dass er die Schultern straffte. »Er war tapfer, entschlossen und unsentimental«, antwortete Niemann. »Er wusste stets genau, was notwendig war, und er besaß die Klugheit und den Willen sowie den moralischen und physischen Mut, es auszuführen. Er besaß keinerlei persönliche Eitelkeit.«
    »Das klingt, als wäre er sehr aufrichtig gewesen«, bemerkte Pendreigh.
    Hester fand, er klang kalt, auch wenn das nicht in Niemanns Absicht lag. Oder tat es das vielleicht? Wenn er jetzt Rache dafür nehmen wollte, dass Kristian damals Elissa für sich gewonnen hatte, dann war das hier die perfekte Gelegenheit. Hatte Monk ihn deshalb hierher gebracht, unbeabsichtigt, um Kristians Schicksal zu besiegeln?
    Oder war es möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass Niemann Kristian für schuldig hielt?
    »Er war aufrichtig«, sagte Niemann. Er zögerte, als wollte er noch etwas hinzufügen, dann überlegte er es sich anders und schwieg.
    »Hat er sich in Elissa von Leibnitz verliebt?«, fragte
    Pendreigh. Seine Stimme klang belegt.
    »Ja«, antwortete Niemann. »Sehr.«
    »Und sie in ihn?«
    »Ja.« Diesmal war das Wort einfach, schmerzlich.
    »Und sie heirateten?«
    »Nach dem Aufstand, ja.«
    »Zweifelten Sie je an seiner Liebe zu ihr?«
    »Nein. Niemals.«
    »Und Sie drei blieben Freunde?«, fragte Pendreigh. Niemanns Zögern war greifbar.
    »Sie blieben keine Freunde?«, fragte Pendreigh.
    »Eine Zeit lang verloren wir uns aus den Augen«, antwortete Niemann. »Eine aus unserer Gruppe wurde gewaltsam getötet. Das quälte uns alle sehr. Kristian schien es am meisten zuzusetzen.«
    »War es seine Schuld?«
    »Nein. Es war einfach dem Auf und Ab des Krieges geschuldet.«
    »Verstehe. Aber er war der Anführer. Hatte er das
    Gefühl, er hätte es irgendwie verhindern müssen?«
    Mills erhob sich halb von seinem Stuhl, dann überlegte er es sich wieder. Niemann zeichnete ein düstereres Bild von Kristian als alles, was sie bisher über den Arzt gehört hatten. Es war kaum in seinem Interesse, Niemann aufzu- halten oder die Richtigkeit seiner Aussagen anzuzweifeln.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Niemann. Es stimmte wahrscheinlich, aber es klang ausweichend.
    Pendreigh zog sich zurück. »Vielen Dank. Können wir jetzt zur Gegenwart und zu Ihrem letzten Besuch in London kommen? Haben Sie sich mit Mrs. Beck getroffen?«
    »Ja.«
    »Mehrmals?«
    »Ja.«
    »Zu Hause oder woanders?«
    »Im Atelier von Argo Allardyce, wo sie für ein Porträt saß.«
    Niemann sah unangenehm berührt aus.
    »Verstehe. Und waren Sie am Abend ihres Todes in der
    Nähe?«
    »Ja, das war ich.«
    »Wo genau?«
    »Ich ging die Swinton Street entlang.«
    »Zu welcher Zeit?«
    »Kurz nach neun Uhr.«
    »Haben Sie jemanden gesehen, den Sie kannten?«
    »Ja. Ich sah den Künstler Argo Allardyce.« Niemann holte tief Luft. »Ich sah auch eine Frau, die später zugegeben hat, dass sie dort war, aber unglücklicherweise erinnert sie sich nicht an mich.«
    »Argo Allardyce?« Pendreigh

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