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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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überhaupt etwas erfuhr, musste sie die Freundschaft, die sie verbunden hatte, bevor Hester Monk kennen gelernt hatte, wieder auffrischen. Wie sollte sie das anstellen, ohne völlig unnatürlich zu wirken?
    »Dein Kleid ist hübsch«, sagte sie aufrichtig. »Du hattest immer schon ein gutes Händchen, genau die richtige Farbe zu wählen.« Imogens Miene verriet ihr, dass sie sich freute. »Erwartest du jemanden? Ich hätte ein Briefchen schicken sollen, bevor ich hier auftauche. Es tut mir Leid.«
    Imogen zögerte, dann eilte sie weiter herum und sagte schnell: »Keineswegs. Ich erwarte niemanden. Eigentlich gehe ich aus. Ich bin diejenige, die sich entschuldigen muss, weil ich, gleich nachdem du gekommen bist, schon wieder wegmuss. Aber ich freue mich natürlich, dass du gekommen bist! Ich sollte dich wirklich mal besuchen, ich bin mir nur einfach nicht sicher, wann es dir am besten passt.« Es war zu viel Überschwang in ihrer Stimme, und sie erwiderte Hesters Blick nur für wenige Sekunden.
    »Bitte, tu das«, antwortete Hester. »Sag mir Bescheid, dann sorge ich dafür, dass ich zu Hause bin.«
    Imogen wollte etwas sagen, dann zögerte sie, als hätte sie es sich anders überlegt. Sie verhielten sich fast wie Fremde, und doch machte das Band aus alter Freundschaft und verwandtschaftlicher Nähe die Situation unbe- haglicher, als wenn sie sich nicht gekannt hätten.
    »Ich bin sehr froh, dass du hereingeschaut hast«, sagte Imogen plötzlich. Jetzt sah sie Hester direkt an. »Ich habe ein Geschenk für dich. Ich habe gleich an dich gedacht, als mein Blick darauf fiel. Warte, ich hol’s dir.« Mit wirbeln-
    den Röcken war sie verschwunden, ließ die Tür offen, und
    Hester hörte ihre Schritte leise durch die Halle huschen. Innerhalb weniger Minuten war sie mit einer exquisiten
    Schmuckkassette aus dunklem Holz mit Intarsien aus
    Golddraht und Perlmutt wieder da. Sie hielt sie in beiden Händen. Die Kassette sah vage orientalisch aus, vielleicht auch indisch. Hester hatte keine Ahnung, wie jemand dabei an sie denken konnte. Sie trug nur ganz selten Schmuck, und sie hatte keine spezielle Beziehung zum Orient. Aber für Imogen war die Krim wohl orientalisch genug. Dennoch war es ein bezauberndes und sicher sehr teures Objekt. Hester wunderte sich unwillkürlich, wie Imogen zu so etwas kam. War es ein Geschenk von einem Mann, und sie wagte nicht, es zu behalten? Es entsprach eindeutig weder Charles’ Geschmack noch seiner Extravaganz und war wohl kaum etwas, was sie sich selbst gekauft hatte.
    »Es ist sehr schön«, sagte Hester und versuchte, warme Begeisterung in ihre Stimme zu legen. Sie nahm Imogen die Kassette aus den ausgestreckten Händen und drehte sie langsam, so dass das Licht auf die Intarsien in Form von Blättern und Blüten fiel. »Ich kann mir kaum vorstellen, wie viele Stunden es gedauert hat, sie herzustellen.« Sie hob den Blick zu Imogen. »Wo kommt sie her?«
    Imogen machte große Augen. »Ich habe keine Ahnung. Ich fand sie einfach hübsch und irgendwie voller Charakter. Deswegen schien sie zu dir zu passen, sie ist individuell.« Ein bezauberndes Lächeln erhellte ihr Gesicht, das die gemeinsamen Augenblicke und das Lachen von vor einigen Jahren zurückbrachte.
    »Danke«, sagte Hester aufrichtig. »Ich wünschte, ich hätte mich von anderen Beschäftigungen nicht so lange fern halten lassen. Im Vergleich zur Familie war alles andere eigentlich unwichtig.« Sie dachte bei ihren Worten an Imogen, aber noch eindringlicher an Charles. Er war
    der einzige Verwandte, den sie hatte, und heute war sie gezwungen gewesen, zu erkennen, dass er sehr viel schwächer war, als sie gewusst hatte. Sie dachte an Monk und wie allein er war. Er sprach nicht darüber, aber sie wusste, dass er sich danach sehnte, Verbindungen zu einer Vergangenheit zu haben, die er kannte, Wurzeln und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Eine Familie schaffte Bezüge, verankerte einen in der eigenen Existenz.
    Imogen wandte sich ab und sagte eilig: »Du musst mir von Amerika erzählen, bei einem anderen Besuch. Ich war noch nie auf See. War es aufregend oder schrecklich? Oder beides?«
    Hester holte Luft, um die seltsame Mischung aus Angst, Elend, Langeweile und Staunen zu beschreiben, aber bevor sie das erste Wort herausbrachte, schenkte Imogen ihr ein weiteres strahlendes Lächeln und machte sich daran, die Kissen auf dem Sofa aufzuklopfen.
    »Ich fühle mich scheußlich, dass ich dich nicht bitten kann, zum Tee zu bleiben«, fuhr

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