Gefährliches Spiel der Versuchung
machen zu können. »Ich weiß, dass es mein Fehler war. Ich hätte mich nicht ablenken lassen sollen.«
»Shannon, sei nicht so hart zu dir selbst.«
Überrascht schaute sie auf.
»Oder glaubst du, dass du der einzige Mensch bist, an dem die Zweifel nagen, ob er dem Auftrag überhaupt gewachsen ist? Der einzige, der von Angst zerfressen ist?« Orlov lächelte zaghaft. »Glaub mir, je älter du wirst, desto schlimmer wird es.«
»Als ob du jemals auch nur eine einzige Sekunde an dir selbst gezweifelt hättest.«
Er drehte eine Locke ihres Haars zwischen seinen Fingern. »Nur ein Narr oder ein Esel stellen sich selbst niemals infrage. Ich weiß, in deinen Augen bin ich sowohl das eine als auch das andere. Aber falls es dich tröstet: Es hat Zeiten gegeben, in denen ich mich gefragt habe, ob die Klinge des Feindes oder eine Kugel nicht weniger schmerzhaft wären als die Gedanken, die mich plagen.«
Noch nie hatte Orlov jemandem einen solch ungeschützten Einblick in seine Gefühle gestattet. Shannon blinzelte, bevor sie antwortete. »Ich ... niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass du solche Zweifel hegst. Du kannst sie sehr gut verbergen.«
»Seinen Geist zu disziplinieren ist nichts anderes als ein Gefecht mit dem Degen. Immer müssen wir die Kunst der Täuschung und Tarnung perfekt beherrschen.«
»Du bist weitaus talentierter als ich.«
Orlovs Lachen klang kaum lauter als ein Wispern. »Shannon, du unterschätzt deine Fähigkeiten. Du bist viel besser, als du es dir vorstellst.« Mit seiner breiten, warmen Hand umfasste er ihr Kinn. »Dein Mut und deine Leidenschaft beschämen mich. Wegen meiner Selbstsucht, die mich schwach macht.«
Ihr stockte der Atem. Seine Stimme, aus der der vertraute ätzende Unterton vollständig verschwunden war, klang beinahe so verwundbar wie ihre eigene.
»Es gibt nichts, wofür du dich schämen müsstest, Alexandr.« Er zog seine Hand fort, doch Shannon griff nach ihr und berührte seine Fingerspitzen mit ihren. Trotz der Schwielen und Wunden spürte sie seinen warmen, stetigen Pulsschlag. »Du bist ein freundlicher, fürsorglicher Mann, auch wenn du sehr darauf achtest, das niemanden wissen zu lassen.«
»Du schenkst mir zu viel Vertrauen, golubuschka. «
»Ich habe dein Gesicht gesehen, als du Emma in die Arme genommen hast.«
Er verzog die Lippen. »Vielleicht waren es nur die Narben vergangener Schlachten, die meinen Ausdruck nach Gutdünken verändert haben.« Er tippte auf die zarte Kerbe in seinem Mundwinkel. »Das hier stammt aus einer Kneipenschlägerei in Krakau. Alles andere als eine Heldentat.«
Shannon lehnte sich näher und drückte die Lippen auf die Stelle.
Orlov erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, lachte dann wispernd. »Es war ein venezianischer Spion, der versucht hat, unser Handelsabkommen mit Konstantinopel zu sabotieren.«
Sie küsste eine hauchdünne Linie auf seiner Stirn. »Was ist mit ihm geschehen?«, murmelte sie.
»Er füttert die Fische im Canal Grande.«
»Und das hier?« Sie küsste seine Fingerknöchel.
»Ah. Du hast es auf meine tiefsten Geheimnisse abgesehen.« Orlov seufzte. »Mein Hund hat mich gebissen, als ich versucht habe, ihm den Knochen wegzunehmen. Siehst du, schon als ich noch ein Kind war, hatte ich einen Hang zum Stehlen.«
Und wie gut er darin war! Denn er hatte ihr Herz gestohlen, genau in dem Moment, als sie es verloren hatte.
Langsam legte Orlov den Arm um sie. »Und doch bist du es, die mir die Widerstandskraft geraubt hat.«
Shannon wollte protestieren, als er ihr Kinn zu sich drehte und ihren Mund mit einem sanften Kuss verschloss. Seltsam, wie die Leidenschaft sich auf viele verschiedene Weisen entzünden konnte. Sie empfand ein loderndes Verlangen nach ihm, das heute Nacht aber nur auf kleiner Flamme brannte, anstatt in verzehrender Hitze aufzuschießen wie bei ihren früheren Begegnungen - wo die Hitze der Leidenschaft aus einer Mischung von Aggression und Anziehung gespeist war.
Und jetzt? Wie sollte sie ihre Beziehung beschreiben?
Das Aufeinanderprallen der widerstreitenden Willenskräfte hatte sich langsam, aber sicher in gegenseitigen Respekt verwandelt. Vielleicht hatten sie bemerkt, dass sie sich trotz äußerlicher Unterschiede im Grunde genommen sehr ähnlich waren. Verlorene Seelen mit einer gewissen Dunkelheit im Herzen, die nach einem fehlenden Stück suchten, um wieder heil zu werden, ganz zu werden. Und sie hatten einander gefunden. Passten zueinander, und ihre Stärken
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