Gefährliches Spiel
tragische Geschichte des Gulag.
Wassily war in diesem kleinen entlegenen Städtchen aufgetaucht wie eine Sternschnuppe, die Hitze und strahlendes Licht in ihr Leben gebracht und all die dunklen Winkel ihrer provinziellen Ecke der Welt erhellt hatte. Niemand wusste, warum er sich Parker’s Ridge ausgesucht hatte. Charity selbst wusste es auch nicht, und Wassily hatte nie darüber gesprochen. Er war einfach eines Tages aufgetaucht, nachdem er über einen Mittelsmann die alte McMurton-Villa gekauft hatte.
Auf die gleiche Art konnte Wassily plötzlich entscheiden, wieder aufzubrechen und an einen besser erreichbaren und kultivierteren Teil der Welt zu ziehen, wenn ihn die wenigen Angebote in Parker’s Ridge langweilten. Also wusste Charity, dass ihre Zeit mit Wassily zwangsläufig begrenzt war. Er war sehr freundlich zu ihr. Sie musste ihre Trauer zur Seite schieben und auch freundlich zu ihm sein.
Aber wie sehr sie sich nach Einsamkeit sehnte. Allein mit ihrer Trauer zu sein, nicht darum kämpfen zu müssen, die Fassung zu bewahren oder höfliche Konversation zu machen.
Er goss eine klare Flüssigkeit in ihre Teegläser. Jeweils eine großzügige Portion. Charity konnte den Alkohol von der anderen Seite des Raumes aus riechen, und ihr leerer Magen zog sich protestierend zusammen.
„Wodka“, murmelte er in reinem Russisch. Vuodkya. „Manchmal der einzige Trost eines Mannes. Ein wahrer Freund, der dich niemals betrügt.“
„Wassily“, murmelte sie. „Bitte nicht ganz so viel in meinen Tee.“ Wie viele Russen war Wassily ein echter Profitrinker. Aber egal wie viel er auch trank, sie hatte ihn noch nie betrunken erlebt.
„Meine Liebe“, antwortete er mit amüsierter Stimme. „Nur den kleinsten, winzigsten Tropfen. Normalerweise besteht mein Tee mindestens zu einem Drittel aus Wodka. Wir nennen das ‚Matrosentee‘, und er hat mir durch viele dunkle Nächte geholfen. Hier.“ Er hielt ihr eines der wunderschönen Gläser an dem silbernen Griff entgegen. „Und ich will nicht irgendwelchen Unsinn hören, dass du das nicht trinken kannst. Du brauchst etwas Heißes zu trinken, Alkohol und eine Mahlzeit. In genau dieser Reihenfolge. Meine Köchin hat dir ein paar Leckerbissen zubereitet, die du ebenfalls in der Kiste finden wirst. Sie sind noch warm. Du musst mir versprechen, sie zu essen.“
Sie schüttelte sich bei der Vorstellung, etwas zu essen, und ihr Magen rebellierte erneut. Sie erstarrte für einen Moment und zwang ihren Magen wieder unter ihre Kontrolle.
„Charity, meine Liebe. Komm.“ Wassily setzte sich neben sie, dicht genug, dass sein Arm und sein Oberschenkel sie berührten. Er klopfte mit dem Finger gegen ihr Glas, das sie noch nicht angerührt hatte. „Erster Schritt: Trink deinen Tee.“ Er legte einen Finger unter das Glas und hob es an. Sie musste es an ihren Mund führen oder riskieren, dass es sich über ihren Schoß ergoss. „Genau so“, schnurrte Wassily. „Sehr gut.“
Charity trank das Glas langsam halb aus und versuchte, den starken Geruch, der mit dem heißen Dampf aufstieg, zu ignorieren. Der heiße Tee und der Alkohol rannen brennend hinunter in ihren Magen.
Wassily hatte sein Glas schon geleert und goss sich nun puren Wodka ein. „Ich habe gestern Abend Vivaldis Opus elf gehört. So berührend, so tief empfunden. Ich überlege, es vielleicht für eine meiner Soireen auszuwählen. Vielleicht könnte ich das De Clercq Quartett engagieren. Ich habe ihren Manager in Paris kennengelernt, ein hochintelligenter und kosmopolitischer Mann. Er sagte, dass das Quartett in der Zeit vor Weihnachten in Neuengland sein würde, und vielleicht haben sie einen Abend Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass es dir gefallen würde.“
„Vermutlich“, murmelte sie. Er hob seine Hand und strich ihr eine Locke hinters Ohr. Sie schämte sich. Sie hatte ihr Haar heute Morgen nicht frisiert, hatte nicht einmal daran gedacht.
„Sehr gut. Wenn es dir gefällt, werde ich morgen mit ihrem Manager sprechen. Ich werde ihnen ihre Zeit königlich entlohnen.“
Das war unglaublich. Das De Clercq Quartett war weltberühmt. Sie verlangten Topgagen und füllten Konzerthallen. Und Wassily erwähnte ganz beiläufig, dass er sie für ein Konzert für dreißig Zuhörer engagieren würde, nur um ihr eine Freude zu machen.
„Trink jetzt deinen Tee aus, meine Liebe.“ Sie tat es und hoffte, ihr Magen würde sich benehmen. Er beobachtete sie genau mit einem beinahe fiebrigen Glanz in den Augen.
Sie saß
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