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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
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war er erst vierundfünfzig. Jung für einen Mann, vor allem für einen reichen und berühmten.
    Hatte er eine heimliche Geliebte, die er nicht mit der Welt teilen wollte? Vielleicht eine russische Emigrantin, eine Literatin, die er ab und zu diskret traf? Jemand, mit dem er in seiner Muttersprache sprechen konnte? Das wäre das Beste. Sie hoffte, dass er nicht eine Reihe von bezahlten Affären hatte – trockene, herzlose, vom Geld bestimmte Episoden, flüchtig und kalt. Eine schreckliche Vorstellung.
    Ein großes Leinentaschentuch erschien in seiner Hand. Er trocknete ihr vorsichtig die Augen und hielt ihr dann das Taschentuch an die Nase, damit sie sich schnäuzte. Sie musste schrecklich aussehen – rotäugig, rotnasig, ausgezehrt, wirr.
    Er sprach, während er fortfuhr, ihr Gesicht abzuwischen. „Die beste Medizin in solchen Situationen sind Chai und Wodka. Uralte Heilmittel für die russische Seele und vielleicht sogar für die amerikanische, wer weiß.“
    Er stand auf, ging zu der Kiste hinüber, die sein Fahrer hereingetragen hatte, und nahm mehrere Gegenstände heraus. Eine große silberne Thermosflasche, eine bunt glasierte Keramikkanne, eine silberne Flasche, ein Glas mit etwas, das wie Marmelade aussah, und zwei Gläser mit silbernen Henkeln.
    Seine Bewegungen waren ungelenk und langsam, aber er hatte es auch nicht eilig. Sie bewunderte, wie gut er es gelernt hatte, mit der Behinderung seiner Hände umzugehen.
    „Ich wollte dir einen Samowar mitbringen, meine Liebe.“ Seine Stimme war ruhig, während er arbeitete. „Ich habe auch schon den perfekten für dich gefunden. Solides Sterlingsilber, aus dem späten neunzehnten Jahrhundert. Es wird gesagt, dass Tolstoi selbst ihn benutzt habe, aber leider ist es nicht dokumentiert. Ich habe ihn diesmal noch nicht mitgebracht, aber ich werde es tun. Es soll ein Geschenk für dich sein.“
    Charity saß teilnahmslos da, während die Tränen auf ihrem Gesicht trockneten, und beobachtete Wassily. Sie liebte es, ihm zuzuhören, seiner tiefen ruhigen Stimme mit der vagen Andeutung eines russischen Akzents. Sein Englisch war überlegt, präzise. Sie hatte gehört, dass er perfekt Französisch und auch Deutsch sprach.
    Wassily öffnete die große Thermosflasche mit einer speziellen Schlinge, die es ihm erlaubte, den Deckel mit seinen zerstörten Händen abzuschrauben. Er schüttelte lose Teeblätter aus einem Papierpaketchen in die Kanne und goss heißes Wasser aus der Thermosflasche dazu. Sofort füllte sich der Raum mit dem aromatischen Duft des Tees.
    „In Russland benutzen wir häufig mehrere Teekannen gleichzeitig, eine über die andere gestapelt. Wie Samowars halten sie den Tee für eine sehr lange Zeit warm. Aber er wird dann sehr stark.“ Er warf ihr einen schnellen Blick zu. Charity wusste, dass er eine blasse, zitternde Frau sah, die kaum aufrecht stehen konnte. „Vielleicht zu stark für dich im Moment.“ Er nahm die zwei Gläser mit den silbernen Henkeln heraus. Mit dem aufwendigen Muster, das in das Glas geätzt war, sahen sie sehr elegant aus. „Ob du es glaubst oder nicht, diese podstakanniki , diese Teegläser, gehörten einst Zar Nikolaus. Sie sind Teil eines Sets, das er für sich und seine Frau in Auftrag gegeben hatte. Ich finde es amüsant, aus den Gläsern des Zars zu trinken und über das Schicksal nachzudenken.“
    Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er eine Marmelade aus roten Beeren in die Gläser löffelte. „Russen tun nur selten Zucker in ihren Tee. Sie benutzen entweder Honig oder Beerenkonfitüre. Diese wurde von meiner Haushälterin gemacht. Konfitüre aus Vermont zusammen mit russischem Tee.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Eine Verbindung unserer beider Welten, meine Liebe.“
    Charity setzte sich auf und versuchte, den Rücken zu strecken. Sie war so erschöpft und wünschte, sie wäre allein. Wie schrecklich, wie undankbar, darauf zu hoffen, dass Wassily endlich bald gehen würde, wo er doch so freundlich zu ihr war. Den ganzen Winter über hatte Charity jeden Moment, den sie mit diesem bedeutenden Mann verbracht hatte, geschätzt und war ihre Gespräche hinterher wieder und wieder im Kopf durchgegangen. Sie las gewissenhaft jedes Buch, das er ihr je empfohlen oder auch nur ihr gegenüber erwähnt hatte. Sie kaufte CDs von jedem Musikstück, das auf seinen Soireen gespielt wurde. Sie hatte wieder und wieder alles gelesen, was er geschrieben hatte, war in die russische Literatur eingetaucht und die

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