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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
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geschmeichelt, dass du heute Abend meine Gesellschaft möchtest. Bitte denke nicht, dass ich es nicht zu schätzen wüsste, aber …“
    „Aber?“ Seine Augen glitzerten, seine schmalen Nasenlöcher verengten sich.
    Sie öffnete ihre Hände in einer hilflosen Geste. „Ich habe gestern meinen Ehemann beerdigt, Wassily. Ich glaube nicht, dass ich ein Abendessen außer Haus durchstehen kann.“ Oder hier im Haus, um ganz ehrlich zu sein. „Ich kann es einfach nicht. Wie um alles in der Welt kannst du von mir erwarten, dass ich so kurz nach Nicks Tod essen gehe?“
    Wassily reagierte nicht. Sein heller Blick blieb ruhig und direkt.
    „Du musst“, sagte er einfach, als wäre es ganz offensichtlich. Als wenn es keinen Zweifel daran gäbe, dass sie es tun würde.
    Wassilys Persönlichkeit war so stark, dass er durch das Kraftfeld, das ihn scheinbar umgab, eine eigene Realität erschuf, eine Realität, in der sie ihm automatisch gehorchte.
    „Du musst heute Abend mit mir essen, es geht nicht anders. Es ist Zeit. Ich brauche dich bei mir.“ Er berührte ihre Wange mit der Rückseite seiner Hand. Seine Berührung war kalt, die Narben dick und knotig. „Du wirst mit mir kommen, Ka… Charity. Du musst. Ich werde kein Nein akzeptieren.“
    Etwas flammte in ihm auf, eine ursprüngliche, wilde Kraft, die er bislang vor ihr verborgen haben musste und nur dann benutzte, wenn er sie brauchte. Nun war er nicht einfach ein willensstarker Mann, nun war er beinahe übermenschlich.
    Sie kannte seine Geschichte, aber zum ersten Mal fühlte sie sie. Sie fühlte die innere Kraft eines Mannes, den der sowjetische Gulag, die gesamten Ressourcen eines mächtigen Landes, das auf unglaublicher Grausamkeit gegründet worden war, nicht hatten brechen können. Eines Mannes, der Folter überlebt hatte, Schläge und Entbehrungen, die sich ihrer westlichen Vorstellungskraft entzogen. Hunger und Zwangsarbeit bei unmenschlichen Temperaturen, die einen geringeren Mann getötet hätten. Gebrochene Knochen und Verrat hatten ihre Narben hinterlassen, aber ihn nicht vernichtet. Er war stärker als zuvor daraus hervorgegangen.
    Charity wusste, dass Wassily auf sehr reale Weise fast eine andere Gattung Mensch war. Stärker, klüger, härter. Ein literarisches Genie, ein Mann mit großen Visionen. Die Art Mann, von dem es in jeder Generation nur einen gab. Shakespeare. Dante. Tolstoi. Die Menschheit existierte, um Männer wie ihn hervorzubringen. Sie waren selten, und sie waren kostbar.
    Er nahm ihre Hand und rieb mit seinem Daumen über ihren Knöchel. „Bitte“, sagte er leise und mit zitternder Stimme. „Bitte iss heute Abend mit mir. Ich brauche dich. Du hast keine Vorstellung davon, wie sehr ich dich brauche.“
    Sie hatte ihn noch nie zuvor in diesem Tonfall sprechen hören. Wassilys normale Stimme war präzise und kühl, stark und bedacht. Er hatte eine natürliche Arroganz, die Bitten ausschloss.
    Ihr Herz lehnte den Gedanken ab, wurde zu einer kleinen, kalten Faust in ihrer Brust. Sie würde alles dafür geben, es nicht tun zu müssen, aber das Leben warf einem manchmal diese Herausforderungen wie Karten vor die Füße. Entweder hob man sie auf, oder man tat es nicht. Entweder spielte man mit der Hand, die einem das Leben gab, oder man tat es nicht.
    Charity glaubte, dass sie sich bisher jeder Herausforderung gestellt hatte, egal wie schwierig sie war. Sie erinnerte sich daran, dass ihr Vater, der sich direkt aus der Highschool heraus freiwillig für Vietnam gemeldet hatte und niemals über seine zwei Einsätze dort gesprochen hatte, immer gesagt hatte: Nimm den schweren Weg.
    Sie bereitete sich darauf vor, den schweren Weg zu nehmen, und versuchte ein weiteres Lächeln, hatte aber keine Ahnung, wie erfolgreich sie war. Mit grummelndem Magen und immer hoffend, dass sie ihren Tee bei sich behielt, gab sie die einzig mögliche Antwort auf seine Bitte.
    „Ja, natürlich, Wassily. Ich würde mich geehrt fühlen, heute Abend mit dir zu essen.“
    Nick zog sein Handy in der Sekunde aus der Tasche, in der es vibrierte, und lief geduckt bis hinter die Garage, wo er aus dem Haus unmöglich zu hören war. Er brauchte keinen Blick auf das Display zu werfen, denn er wusste, wer anrief. Er zog den Ohrstöpsel raus, mit dem er der Unterhaltung von Worontzoff und Charity gelauscht hatte.
    „Du bist verflucht noch mal besser nicht da, wo ich denke, dass du bist“, schlug ihm Di Stefanos wütende Stimme entgegen.
    Nick biss die Zähne zusammen und ging,

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