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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
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Physiotherapie, damit sie überhaupt wieder laufen konnte. Oh ja, sie hatte genug Schmerzen ausgestanden. Wegen der Liebe hatte sie allerdings noch nie gelitten, einfach weil sie sich noch nie für jemanden völlig geöffnet hatte.
    Sex hatte ihr bisher nicht allzu viel bedeutet. Im besten Falle fand sie ihn angenehm, manchmal war er ein Trost, manchmal auch etwas langweilig. Sie war immer als dieselbe Person aus dem Bett herausgekommen, als die sie hineingefallen war.
    Sex mit Nick hatte eine ganz andere Dimension als alles, was sie vorher erlebt hatte. Es war überwältigend und erschreckend intensiv. Sie hatte sich Mühe geben müssen, sich nicht zu verlieren und die ganze Sache irgendwie so unverbindlich wie möglich zu sehen. Körperlich war es aufregend, klar, aber das musste reichen.
    Aber jetzt, wo sie ihrem Liebhaber dabei zusah, wie er mit Tante Vera in den Armen in die Küche kam und vorsichtig und diskret half, sie auszuziehen, fühlte Charity, wie sich etwas in ihr weit öffnete und all die Schutzmauern, die sie errichtet hatte, bröckelten.
    Innerhalb weniger Minuten war ihre Tante in eine dicke Schicht Decken gewickelt und trank heißen Tee, während Nick ihr am Handgelenk den Puls fühlte.
    Er sah Charity in die Augen. „Der Puls ist fast normal. Ihre Temperatur ist allerdings etwas niedrig. Wir müssen ihre Kerntemperatur erhöhen.“
    „Wie?“ Was konnten sie denn noch mehr tun?
    Nick stellte den großen Topf mit kochendem Wasser auf den Tisch und nahm ein Handtuch in die Hand. Vorsichtig half er Tante Vera, sich so hinzusetzen, dass sie den Dampf einatmen konnte, und legte dann das Handtuch über ihren Kopf. „Atmen Sie tief ein, Ma’am.“
    Zu Charitys Erleichterung befolgte ihre Tante die Anweisung. Wie durch ein Wunder hatten sich die Wolken in Tante Veras Kopf ein wenig verzogen, und es schien etwas zu ihr durchzudringen. Es war unvorhersehbar. Man wusste nie, wann sie einen verstand, und wenn sie etwas verstand, ob sie auch reagieren würde.
    Aber vielleicht lag etwas in Nicks Tonfall, das ihren umnachteten Geist durchdrang, denn die tiefen Atemzüge, die sie machte, waren selbst unter dem Handtuch hervor zu hören.
    „So ist es genau richtig, Ma’am“, sagte Nick ermutigend. „Atmen Sie einfach weiter.“
    Bei all dem saß Onkel Franklin erschöpft und passiv mit gesenktem Kopf daneben. Verbraucht und zerbrechlich.
    „Warum soll sie das machen?“, fragte Charity.
    „Inhalation erhöht die Kerntemperatur. Es bringt die Wärme direkt in den Kopf, den Hals und den Brustraum, was der kritische Kern des Körpers ist. Es wärmt die Lungen und den Hypothalamus, der die Körpertemperatur reguliert. Sie sollte mindestens zehn Minuten lang weitermachen.“
    Nick setzte sich wieder neben ihre Tante und behielt seine Hand an ihrem Puls. Charity ging zu ihrem Onkel hinüber und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die Knochen unter ihren Fingern fühlten sich so zerbrechlich an wie die eines Vogels. Sie beugte sich zu ihm und flüsterte: „Sie wird es gut überstehen, Onkel Franklin.“
    Er sah zu ihr hoch und zwang sich zu einem Lächeln. Charity kam der plötzliche Gedanke, dass sie sich nun nicht mehr nur um Tante Vera, sondern auch noch um Onkel Franklin Sorgen machen musste. Während ihres ganzen bisherigen Lebens und vor allem nach dem Tod ihrer Eltern war er stets ihr Fels in der Brandung gewesen. Jetzt war er kein Fels mehr. Jetzt war er ein müder, verängstigter alter Mann, der kaum die Fassung bewahren konnte.
    Okay. Zeit für sie, sich zu beweisen. Sie verschob mental die Bausteine ihres Lebens und baute die Rund-um-die-Uhr-Betreuung ihrer älteren Verwandten in die Parameter ein.
    Es war entmutigend. Sie war achtundzwanzig und hatte kaum angefangen zu leben. Sie war lange noch nicht so viel gereist, wie sie es sich gewünscht hätte, und wusste nun, dass sie es auch nie tun würde – wenigstens nicht, solange Onkel Franklin und Tante Vera lebten.
    Und wenn ihr Liebesleben vorher schwierig gewesen war, war es nun gänzlich unmöglich geworden, weil ihre Prioritäten bei der Pflege ihrer Verwandten liegen würden. Welcher Mann würde sich damit abfinden? Wenn Nick erst wieder weg war, konnte sie selbst dem Anschein eines Liebeslebens endgültig Auf Wiedersehen sagen.
    Bei dem Gedanken seufzte sie beinahe auf. Als sie hochsah, fing Nick ihren Blick auf und blinzelte ihr zu.
    Aber für den Moment war Nick ja noch an ihrer Seite. Natürlich würde er gehen, aber er ging noch nicht

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