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Gefährliches Spiel

Gefährliches Spiel

Titel: Gefährliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Marie Rice
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führte ihren Onkel zu einem Stuhl und legte ihm sanft die Hände auf die Schultern. Er setzte sich abrupt hin, als hätte sie ihn gestoßen. Oder als trügen ihn seine Beine nicht mehr.
    Den Kopf gesenkt, bedeckte er die Augen mit einer Hand, müde und verzweifelt. Seine Stimme war ein Flüstern. „Sieh aus dem Fenster, Liebes, und sag mir, ob du etwas siehst.“
    Hauptsächlich um ihm einen Gefallen zu tun, ging Charity zum Küchenfenster hinüber. Draußen war jedes Licht eingeschaltet, selbst der Spot unter der großen Eiche hinten im Garten. Der Schneesturm hatte fast dreißig Zentimeter Schnee auf dem Rasen hinterlassen. Er hatte sich in der letzten halben Stunde ausgetobt und ließ nun langsam nach. Vor einigen Minuten hatte sie kaum die alte Eiche, die sie in ihrer Kindheit so oft hinaufgeklettert war, erkennen können. Nun hoben sich die kahlen, nackten schwarzen Zweige von der riesigen weißen Schneefläche ab.
    „Und? Kannst du etwas sehen?“
    Charity wandte sich zu ihrem Onkel, seine Mutlosigkeit tat ihr fast körperlich weh. Sei positiv , sagte sie sich selbst. Ihre eigene Verzweiflung zu hören war das Letzte, was er jetzt brauchte.
    „Nein“, sagte sie mit vorgespielter Sicherheit in der Stimme. „Aber ich bin mir sicher …“
    Sie brach ab und starrte aus dem Fenster. Konnte es sein … oh Gott, ja!
    Der Rasen fiel auf dieser Seite des Hauses stark ab, sodass sie als Erstes nur seinen Kopf sah, als er näher kam. Diesen Anblick würde sie bis ans Ende ihrer Tage nicht vergessen.
    Nick kam ohne Mantel die Steigung hinauf und hielt Tante Vera in seinen Mantel gewickelt in den Armen. Der Schnee und das matte Licht verzerrten die Perspektive, und so wirkte es nicht, als wenn er einfach nur auf sie zukommen, sondern als wenn er direkt aus dem Inneren der Erde hinaufsteigen würde. Der Schnee reichte ihm fast bis zu den Knien, aber er schien es gar nicht zu bemerken – ein Krieger, der aus der Schlacht heimkehrte, einen verwundeten Kameraden im Arm.
    Oh Gott, bitte nur verwundet. Nicht tot.
    Nick schob Tante Vera in seinen Armen zurecht, und Charity konnte erkennen, wie sich die Arme ihrer Tante fester um seinen Nacken legten.
    Sie lebte!
    Unendlich erleichtert atmete Charity tief aus und fühlte nun, wie ihre Beine zitterten. Sie streckte eine Hand aus und hielt sich am Tisch fest, weil sie sonst vermutlich einfach zu Boden gefallen wäre. Zum ersten Mal wagte sie, sich einzugestehen, wie viel Angst sie gehabt hatte, dass sie nur noch eine Leiche im Schnee finden würden. Ihre Augen brannten, und sie blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten.
    „Da sind sie …“ Ihre Worte waren nur ein trockenes Krächzen, beinahe unhörbar. Sie räusperte sich und hustete, um die Enge in ihrem Hals zu vertreiben und sprechen zu können, aber dann war es schon nicht mehr notwendig. Ein scharfes Einatmen hinter ihr verriet ihr, dass Onkel Franklin die beiden durch das Küchenfenster sehen konnte.
    Charity verlor den Kampf gegen die Tränen. Sie konnte sie nass und kalt auf ihren Wangen spüren, als sie in dem Moment die Tür aufriss, in dem Nick die Treppenstufen zur Veranda erreichte.
    In einer Sekunde waren sie drinnen, und Nick erteilte Befehle. „Zieht ihr die nassen Sachen aus und wickelt sie in so viele Decken wie möglich. Charity, bring den Topf mit Wasser und ein großes Handtuch zum Tisch.“
    Charity und Onkel Franklin beeilten sich, ihre Tante auszuziehen. Auch Nick half, wobei er allerdings genau darauf achtete, Tante Veras nackten Körper nicht anzuschauen.
    Das war der Moment, in dem Charity sich in ihn verliebte. So charmant sie ihn bisher gefunden hatte, hatte sie es doch geschafft, ein kleines bisschen distanziert zu bleiben. Es schien so unwirklich, von einem so unverschämt gut aussehenden, unglaublich reichen Mann umworben und von ihm mit überirdisch gutem Sex verwöhnt zu werden. Tief in ihrem Herzen wusste Charity, dass Nick nur ein Traum und nicht die Realität war.
    Was konnte sie sich also erhoffen? Er war geschäftlich für einige Zeit in Parker’s Ridge, in Gedanken wahrscheinlich sogar schon bei seinem nächsten Ziel. Charity wäre verrückt, wenn sie glaubte, dass ihre gemeinsame Zeit mehr als nur eine kurze Affäre war.
    Sie hatte schon so viele Schmerzen ausgestanden, dass es für ein ganzes Leben reichte – vielen Dank. Mit zwölf hatte sie ihre Eltern verloren. Fast ein Jahr lang lag sie mit einem kaputten Körper im Krankenhaus, und ihre Teenagerjahre verbrachte sie in

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