Gefährliches Talent: Kriminalroman
charmantes Schlitzohr, verdammt, und das machte sie nervös. Sie wusste nicht, was für ein Spiel er spielte, aber sie wollte sich auf gar keinen Fall mit ihm einlassen. Es gab in ihrem Leben schon einen charmanten alten Schurken. Einen charmanten jungen Schurken konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen.
»Ja, aber Sie müssen bedenken, wir verdeckten Ermittler versuchen gar nicht, vollkommen authentisch zu sein«, sagte er. »Wir dürfen nur nicht auffliegen. Wir verhalten uns so, wie man es von uns erwartet.«
Er hatte den aufgesetzten Akzent abgelegt, aber seine Offenbarung war für sie so überraschend gekommen, dass es ihr kaum aufgefallen war.
Wir verdeckten Ermittler …
? Sie starrte ihn nur an. Zu mehr war sie nicht in der Lage und sie musste sich zusammenreißen, damit ihr die Kinnlade nicht runterfiel. »Soll das heißen, Sie sind bei der
Polizei
?«
Ohne zu antworten, nahm er eine lederne Ausweishülle aus seiner Gesäßtasche, öffnete sie und hielt sie ihr vor die Nase. Er klappte die Hülle nicht sofort wieder zu, wie sie es im Fernsehen machen, sondern sie hielt lange genug hoch, dass sie alles genau lesen konnte. Im unteren Fach steckte ein goldenes Abzeichen mit einem Adler, das ganz echt aussah, jedoch genauso gut aus einer Cornflakes-Packung stammen konnte. Aber der Ausweis im oberen Fach kam ihr echt vor: Darauf stand in fetter, blauer Schrift »Department of Investigation FBI Special Agent«, außerdem waren dort das Siegel der Behörde und ein kleines, aber deutliches Foto von de Beauvais zu sehen, nur dass die Unterschrift »Theodore Ellesworth« lautete.
Daraufhin brach sie, für sie selbst ebenso überraschend wie für ihn, in schallendes Gelächter aus. Ob es an der Anspannung der vergangenen Tage lag oder an der Absurdität der ganzen Situation, wusste sie nicht, aber sie konnte gar nicht mehr aufhören. Sie hatte seit Monaten, vielleicht seit Jahren nicht mehr so gelacht. Beauvais – oder vielmehr Ellesworth – sah ihr schweigend zu.
Als sie sich die Tränen weggewischt hatte und wieder sprechen konnte, sah sie ihn an. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst. FBI? Theodore Ellesworth?«
Er klappte die Hülle zu und steckte sie wieder in die Tasche. »So heiße ich leider nun mal. Und ich bin tatsächlich beim FBI. Ehrlich.« Lächelnd hielt er drei Finger zum großen Pfadfinderehrenwort hoch.
Ihre Einstellung ihm gegenüber war zu diesem Zeitpunkt mehr als wirr, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass er diesmal nicht log. »Okay, ich glaube Ihnen, aber was ist denn hier überhaupt los? Warum steht Special Agent Theodore Ellesworth in einem Krankenhausflur in Española und unterhält sich mit mir, statt sich seiner wichtigen FBI-Arbeit zu widmen?«
»Das ist eine ziemlich lange Geschichte. Aber unten ist eine Cafeteria, sollen wir da einen Kaffee trinken?«
Alix zögerte, aber nur eine Sekunde. »In Ordnung, Mr Ellesworth, gehen Sie vor.«
»Nennen Sie mich einfach Ted«, sagte er und ging den Flur entlang.
Die Cafeteria war so wie jede andere Krankenhaus-Cafeteria auf der Welt: Die helle, freundliche Einrichtung konnte die Aura von Sorge und Trübsinn nicht verdrängen, die von den Leuten dort ausging. Auch dass sie in einem fensterlosen Keller untergebracht war, war der Atmosphäre nicht zuträglich. Nur an einem Tisch mit Krankenschwestern herrschte gute Stimmung. An den anderen Tischen saßen Leute einzeln oder zu zweit, in sich gekehrt und schweigsam. Ted und Alix setzten sich an einen Tisch an der Wand, weit weg von den anderen Leuten.
»Also …«, sagte Ted, als er sich mit seinem Kaffee hinsetzte. »Wo soll ich anfangen?«
»Fangen wir doch mit Roland de Beauvais, dem formidablenKunstbetrüger, an. Was hatte der in Santa Fe zu schaffen?«
»In Ordnung. Ich bin einer Kette von Betrugsfällen auf der Spur: Fälschungen, die an ausländische Käufer verschachert werden, hauptsächlich nach Asien. In fünf Fällen sind wir uns ganz sicher und in vier weiteren so ziemlich. Die Galerie Blue Coyote war einer der Hauptverkaufskanäle, deshalb wussten wir, dass Liz eine zentrale Rolle spielte, ob wissentlich oder nicht.«
»Und? War sie an der Sache beteiligt?«
»Ja, sie steckte bis über beide Ohren mit drin.«
»Hmm.« Alix dachte darüber nach. »Ich frage mich nur, warum?«
»Warum was?«
»Warum hat sie sich auf so was eingelassen? Ich meine, sie hatte Geld wie Heu …«
»Wie kommen Sie denn darauf? Liz war pleite.«
»Sind Sie da sicher? Ich
Weitere Kostenlose Bücher