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Gefährten des Zwielichts

Titel: Gefährten des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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ihm, von da, wo Skerna gestanden hatte. Wito fuhr herum und sah gerade noch, wie seine Begleiterin von einer langen schmalen Zunge gepackt und fortgerissen wurde.
    »Nein!«, rief Wito. Sein Herzschlag setzte aus.
    Er wurde groß. Im Nu war er bei Balgir, der fast unsichtbar in einem Winkel unter dem Fenster kauerte und sich Skerna geschnappt hatte. Wito packte zu und drückte die Echse mit dem Hals gegen den Boden, damit sie nicht schlucken konnte.
    »Lass sie los!«, rief er. »Lass sie sofort los!«
    Balgir verdrehte seine großen Augen und gab leise röchelnde Geräusche von sich. Wito griff mit der anderen Hand zu und versuchte, dem Taschentier das Maul zu öffnen, riss die Finger aber gleich wieder zurück, als Balgirs Kiefer sich bewegten.
    »Balgir! Lass los!«, rief er in Panik.
    Und Balgir öffnete das Maul einen Spaltbreit und schob seine schlanke gespaltene Zunge heraus. Ganz vorne zwischen den Spitzen hielt er die winzige Gnomin umklammert, setzte sie bedächtig am Boden ab und zog die Zunge wieder zurück. Er schielte zu Wito hinauf, der mit ihm schimpfte. »Das war böse, Balgir, hörst du?«, sagte er. »Mach das nie wieder!«
    Er ließ das Taschentier los. Balgir zwinkerte langsam mit den Nickhäuten und blies sich ein wenig auf. Skerna stand vor ihm auf dem Bretterboden, in einem kleinen Fleck Speichel, und wirkte wie erstarrt.
    »Mach dich groß!« Wito flüsterte, aber es war zu spät. Die Unruhe war nicht unbemerkt geblieben. Aus Strentors Kammer hörte man ein »Was bei allen ...«, und dann war ein Aufschrei zu vernehmen, ein plumpes Wummern auf dem Holzboden und dann ein Scheppern und Poltern und lautes Fluchen. Skerna nahm wieder ihre volle Größe an.
    Sie zitterte, und auch wenn Balgirs Schleim sich an ihrer großen Gestalt verteilte, so hatte er doch überall silbrige Fäden hinterlassen. Die Gnomin wirkte zerzaust und mitgenommen.
    »Wir müssen hier weg«, zischte Wito. Er wies auf das Fenster.
    Von unten aus der Gaststube und auch vom Gemeinschaftsschlafraum oben unter dem Dach waren Rufe zu vernehmen. Ihnen blieb nicht viel Zeit. Wito schob die immer noch benommene Skerna durch das Fenster und hielt das Seil fest, während seine Gefährtin rasch daran hinabrutschte. Dann packte er Balgir, hielt ihn nach unten und wollte ihn Skerna zuwerfen.
    Die Gnomin wich zurück, und das Taschentier zischte und wand sich und zeigte seine kurzen spitzen Zähne.
    »Das ist nicht hilfreich«, murmelte Wito. Er zog Balgir wieder ein Stück hoch und drückte ihm kurzerhand das Maul zu. »Fang ihn auf und halt ihn gut fest. Wir haben keine Zeit!«, rief er halblaut nach unten. Schon polterten Schritte auf der Treppe.
    Skerna gehorchte. Wito sprang auf das Fensterbrett, machte sich klein und kletterte so schnell er konnte an dem Seil nach unten. Hoffentlich kam er rechtzeitig an, bevor Skerna das Taschentier erwürgte ...
    Unten in der Gasse machte er sich wieder groß, holte das Seil ein und verstaute es. Wenn sie Glück hatten, sahen die Bitaner erst nach Strentor und hatten das offene Fenster und das unscheinbare Seil gar nicht bemerkt.
    Skerna hielt Balgir am ausgestreckten Arm und quetschte den langen Echsenleib, während das Taschentier versuchte, die Gnomin zu kratzen und zu beißen. Wito nahm Balgir und legte ihn sich über die Schulter.
    »Werzaz hatte recht mit dem Vieh«, befand Skerna. »Taschen sollten gut gegerbt und vor allem nicht lebendig sein.«
    Balgir schmiegte sich ganz friedlich an Witos Schulter und zeigte Skerna die Zähne. Dann blickten die Gnome von der Gasse auf die Hauptstraße, wo immer noch einige Menschen, Bitaner und Einheimische, unterwegs waren. Von oben hörten sie Stimmen durchs offene Fenster, aber anscheinend hatte niemand bemerkt, was geschehen war - außer dass Strentor wohl in seinem Zimmer einen Unfall gehabt hatte.
    Es wurde Zeit, zu verschwinden. Sie folgten der Gasse in die andere Richtung, fort von der Hauptstraße. Dort war es ruhiger, und so schlichen die Gnome durch die Seitengassen zurück zu dem Lagerhaus, wo die Bitaner sie gefangen gesetzt hatten. Sie wagten nicht, sich klein zu machen. Das Gebäude war zwar nicht schwer zu finden, aber in ihrer winzigen Gestalt wäre es ein zu weiter Weg gewesen. Außerdem hätten sie Balgir dann nicht tragen können, und sie trauten der Echse nicht so weit, dass sie in Käfergröße mit ihr gemeinsam wandern wollten.
    Die Bitaner bewachten das Gelände, aber für die Gnome war es ein Leichtes, sich hineinzuschleichen.

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