Gefährtin der Dämmerung
den Kopf über ihn zerbrechen.«
»Das musst du ohnehin nicht«, antworte Bones wieder in diesem eisigen, Unheil verkündendem Tonfall. »Nie mehr. Aber so leicht kommt er mir nicht davon.«
Bones streckte die Hand aus und strich Max über die Wange.
Ganz leicht nur, aber Max fuhr zusammen, als hätte Bones sie ihm mit dem Messer aufgeschlitzt.
»Bis bald, alter Freund. Ich kann's kaum erwarten.«
Annette gesellte sich zu uns. Ihre champagnerfarbenen Au gen blickten Max aus einem Gesicht an, in dem sich bereits erste Altersspuren abzeichneten. Bones hatte sie im Alter von sechs unddreißig Jahren zur Vampirin gemacht. Das Leben im sieb zehnten Jahrhundert war rauer gewesen als heute, und so wirk te sie eher wie fünfundvierzig, was ihr jedoch gut zu Gesicht stand. Im Augenblick war sie allerdings nicht die makellose Er scheinung, als die ich sie kannte. Ihr rotblonder Dutt hatte sich so gut wie aufgelöst, und ihr perfekt geschnittenes marineblau es Kostüm sah auch ziemlich mitgenommen aus.
»Meine Güte, was für ein Tag«, bemerkte sie.
Beinahe hätte ich losgeprustet. Typisch Annette. »Was für ein Tag« war das Einzige, was ihr zu einem solchen Horror einfiel.
»Schließ Max wieder ein«, wies ich Cooper an, weil ich mei nen Vater jetzt nicht mehr sehen wollte. Nie mehr, um genau zu sein.
Cooper gehorchte, und die Kapseltür schloss sich unter dem Klicken mehrerer Schlösser. Noch im selben Augenblick kam mir ein entsetzlicher Gedanke.
»Was ist aus Kalibos geworden? Da war doch noch ein Vam pir.«
»Sein Kopf ist da drüben«, antwortete Bones und wies mit einem Nicken auf die Bäume. »Der Rest von ihm liegt weiter hinten.«
Kalte Genugtuung überkam mich. »Woher wusstest du, dass du herkommen musst?«
»Annettes Gepäck ist nicht angekommen.« Bones klang bei nahe amüsiert. »Ich habe dich zweimal angerufen, um dir zu sagen, dass es länger dauern würde, weil wir noch ein paar neue Klamotten für Annette auftreiben mussten. Du hast dich nicht gemeldet. Normalerweise gehst du immer dran, deshalb bin ich sofort hergekommen. Als wir noch etwa anderthalb Kilometer entfernt waren, habe ich dich schreien hören. Wir haben den Wagen stehen lassen und sind ums Haus herumgeschlichen. Da haben wir den einen Typen gefunden. Weil wir nicht wussten, wie viele noch drinnen sind, sind wir beide gleichzeitig durch das geschlossene Fenster gesprungen.«
Ich lachte auf. Die Tatsache, dass Annettes Gepäck verloren gegangen war, hatte meiner Mutter und mir das Leben gerettet?
Welche Ironie des Schicksals.
»Jetzt wünschst du dir wohl, ihr wärt weitergefahren, was?«
Das konnte ich mir in Richtung Annette nicht verkneifen.
Ein feines Lächeln huschte über ihre Lippen. »Eigentlich nicht, Schätzchen. Gerade habe ich Ian angerufen«, fuhr sie, mehr an Bones als an mich gewandt, fort. »Er war fuchsteufels wild, als ich ihm erzählt habe, was Max sich geleistet hat. Er ver stößt ihn offiziell aus seiner Sippe.«
Das war die schlimmste Strafe, die ein Vampir über ein Mit glied seines Clans verhängen konnte. Kein Vampir würde mehr für Max einstehen, wenn ihm in Zukunft etwas zustieß, und was die Zukunft anbelangte, sah es für Max im Augenblick ziemlich düster aus.
»Mir hat Max auch gesagt, Ian hätte von nichts gewusst«, fügte ich hinzu, obwohl ich Ian nicht besonders mochte. »Er hat angeblich neue Freunde, die mich ebenso gern tot sehen wollen wie er.«
Bones nickte knapp. »Fahren wir heim, Süße. Dann ver suchen wir herauszubekommen, wer Max bei der Planung des Anschlags geholfen hat, und machen jeden Einzelnen kalt.«
Wir wohnten auf einem Hügel in einem großen Blockhaus mit kugelsicheren Fensterscheiben und einem atemberaubenden Ausblick auf die Blue Ridge Mountains. Es war so abgelegen, dass wir unseren Nachbarn bestimmt nie über den Weg laufen würden und sich auch niemand über den Helikopterlandeplatz und den Hangar im Vorgarten das Maul zerreißen musste.
Annette fuhr mit Don zum Stützpunkt, um wie geplant Tate beizustehen. Bones wollte sie allerdings nicht begleiten. Mei nem Onkel teilte er mit, dass für ihn jetzt andere Dinge im Vordergrund standen, was Don natürlich einsah. Drei Untote waren zu Tates Unterstützung völlig ausreichend. Nach allem, was Max gesagt hatte, schwebte ich im Augenblick in größerer Gefahr als er.
Als ich die Tür öffnete, kam mein Kater sofort angerannt und strich mir um die Beine. Eigentlich hatten wir eine Woche außer Haus sein wollen,
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