Gefährtin der Dämmerung
wieder.
»... darfst sie nicht sterben lassen!«, glaubte ich, meine Mut ter schreien zu hören, dann erkannte ich Bones' Stimme.
»... komm schon, Süße, trink! Nein, ein bisschen mehr brauchst du schon noch ...«
Ich würgte, die Flüssigkeit quoll mir aus dem Mund, und da wurden die Schemen um mich herum deutlicher. Meine Lippen waren an einen blutigen Hals gepresst, und ich machte mich unter Husten und Schlucken los.
»Aufhören«, keuchte ich.
Hände zogen mich zurück. Es war Bones' Kehle, an der ich gesaugt hatte. Das Blut war auch nicht nur an seinem Hals.
Vorn war es an seinem ganzen Körper heruntergelaufen.
»Herrgott im Himmel, Kätzchen«, seufzte Bones und strei chelte meinen Hals.
»Catherine«, rief meine Mutter. Ich warf den Kopf herum und sah, wie sie auf mich zugewankt kam. Die Vorhangschlin ge lag noch um ihren Hals, doch das andere Ende war nicht mehr am Treppengeländer befestigt. Aus der gegenüberliegen den Zimmerecke hörte ich Max leise fluchen, woraufhin eine weibliche Stimme mit britischem Akzent antwortete.
»Keine Bewegung, du kleiner Scheißer.«
»Hast du ihn?«, erkundigte sich Bones mit Grabesstimme.
Annette klang entschlossener denn je. »Hab ihn, Crispin.«
Meine Mutter war bei mir angekommen. Sie fiel mir um den Hals, versuchte, mich aus Bones' Armen zu reißen, und befühlte gleichzeitig meinen Hals.
»Hat er dich wieder hingekriegt? Alles in Ordnung mit dir, Catherine?«
Da sah ich das ganze Blut. Es war nicht nur auf Bones, son dern auch auf mir, überall um mich herum auf dem Boden und an der nahen Wand.
»Was ist passiert?«, fragte ich, gleichzeitig benommen, un-aussprechlich dankbar, dass wir am Leben waren, und bestürzt über so viel Blut.
»Max hat dir die Kehle aufgerissen«, antwortete Bones, eine ganz seltsame Mischung aus Erleichterung und Wut in den grün leuchtenden Augen. »Und wenn ich den erst in der Ma che habe, wird er sich noch sehnlichst wünschen, ich hätte ihn umgebracht.«
6
Eine knappe Viertelstunde nachdem ich Don angerufen hatte, traf er mit dem gesamten Team ein. Auf dem Weg zu uns hatten sie vermutlich gegen jede erdenkliche Verkehrsregel verstoßen, wofür die örtliche Polizei sie natürlich nicht belangen konnte.
Bones und Annette fixierten Max in der Kapsel. Don würde ihn übernehmen ... vorerst. In knappen Worten kündigte Bones an, er würde später jemanden vorbeischicken, der Max abholte, und als ich seinen Tonfall hörte, war ich froh, dass von meinem Onkel kein Widerspruch kam. Don hätte Max vermutlich oh nehin nicht länger als nötig am Hals haben wollen. Der Blick, den sich die Brüder zugeworfen hatten, als Max in der Kapsel festgeschnallt wurde, war so emotionsgeladen, dass Don schon wegsah, bevor Max dazu kam, ihn zu beschimpfen.
Mir selbst musste über ein Liter Blut verabreicht werden, um den Verlust auszugleichen. Bones hatte zwar meine Wun den geheilt, aber mein Puls war dennoch bedenklich niedrig gewesen.
»Das war knapp«, sagte ich mit zittrigem Lächeln zu Bones, nachdem ich meine letzte Infusion erhalten hatte. Ich saß in seinem Wagen. Mit einem Handtuch hatte er so gut wie mög lich das Blut von mir abgewischt. Wir würden bald losfahren.
Bones wollte nicht länger als nötig hierbleiben, weil wir nicht wussten, wem Max und Kalibos von ihrem geplanten Hinter halt erzählt hatten.
Als Bones meinen Blick erwiderte, lag ein unergründlicher Ausdruck in seinen Augen. »Ich hätte dich so oder so zurück geholt, Kätzchen. Entweder als Vampir oder als Ghul, selbst wenn du mich hinterher dafür gehasst hättest.«
»Wäre es nach Max gegangen, hättest du dir das sparen kön nen«, murmelte ich. »Er wollte mich zerstückeln.«
Bones stieß zischend die Luft aus, dass sich mir die Nacken haare aufstellten. Dann fing er sich anscheinend wieder.
»Das merke ich mir«, sagte er, jedes Wort einzeln betonend.
Eine ganze Flut von Emotionen stieg in mir auf. Erleichte rung, verspätete Panik, Wut, Glückstaumel und der Wunsch, Bones an mich zu drücken und loszuplappern, wie überglücklich ich war, ihn überhaupt noch einmal sehen zu können. Aber jetzt war keine Zeit für Rührseligkeit, und so verkniff ich mir mei nen Emotionsausbruch. Reiß dich zusammen, Cat. Du kannst jetzt nicht in Gefühlsduselei verfallen, es gibt zu viel zu tun.
Auf der Rückbank saß meine Mutter. Sie hatte sich gewei gert, den Stützpunkt zu betreten, obwohl sie dort nicht lange hätte bleiben müssen. Don würde ihn räumen
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