Gefaehrtin der Nacht
Moment lang zu, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
»Wirklich? Wow, herzlichen Glückwunsch. Wann? Natürlich werde ich dort sein. Das möchte ich um nichts auf der Welt verpassen.«
1
Die Patientin
A ls Allegra van Alen aufwachte, tat ihr der Kopf weh und es dauerte eine Weile, bis sie ihre Umgebung wiedererkannt hatte. Sie trug ein Krankenhaushemd, aber der Blick durchs Fenster verriet ihr, dass sie noch in Endicott war, denn in der Ferne konnte sie die Kirche mit den weißen Schindeln sehen. Sie musste in der Schulklinik sein, was durch das Erscheinen der Schulkrankenschwester, die ein Tablett mit Keksen in der Hand hielt, noch bestätigt wurde.
Mrs Anderson war eine allseits beliebte, mütterliche Frau, die immer ein Auge auf ihre Schüler hatte und dafür sorgte, dass es frisches Obst in der Mensa gab.
Sie kam mit einem besorgten Lächeln herein. »Wie fühlst du dich, Liebes?«
»Ich denke, ich werd’s überleben«, antwortete Allegra kläglich. »Was ist passiert?«
»Ein Unfall auf dem Spielfeld. Du wurdest vom Ball getroffen.«
»Autsch.« Allegra schnitt eine Grimasse und kratzte sich an ihrem Kopfverband.
»Du kannst dich glücklich schätzen. Der Arzt sagt, für einen Red Blood wäre dieser Treffer tödlich gewesen.«
»Wie lange war ich bewusstlos?«
»Nur ein paar Stunden.«
»Besteht die Möglichkeit, dass ich heute noch hier rauskomme? Ich habe morgen einen Lateintest und muss dafür lernen.«
Wie der Rest der Schule war die Klinik ein Ort zum Wohlfühlen. Sie war in einem gemütlichen neuenglischen Landhaus untergebracht und mit weißen Korbmöbeln und hellen Blumengardinen ausgestattet. Doch Allegra wollte jetzt nichts lieber, als in ihrem eigenen Zimmer mit den schwarz-weißen The-Cure-Postern, dem altmodischen Sekretär und ihrem neu erworbenen Walkman Zuflucht suchen, allein sein und Depeche Mode hören. Sogar in der Klinik wehten Fetzen eines Bob-Dylan-Songs durch das offene Fenster. Jeder an der Schule hörte dieselbe Musik von vor zwanzig Jahren, als würde das Privatschulleben in einer Zeitschleife in den Sechzigern feststecken. Allegra hatte nichts gegen Bob Dylan, aber dagegen, sich nur an Vergangenes zu klammern.
Mrs Anderson schüttelte den Kopf, klopfte Allegras Kissen zurecht und drückte die Patientin zurück in die Federn. »Nein, heute nicht. Dr. Perry ist aus New York angereist und wird dich untersuchen. Deine Mutter hat darauf bestanden.« Sanft schob sie Allegra ein Fieberthermometer unter die Achsel.
Allegra seufzte. Natürlich hatte Cordelia darauf bestanden. Ihre Mutter wachte mit Adleraugen über sie. Bei Cordelia war das Muttersein mit dem Behüten einer kostbaren Ming-Vase vergleichbar. Sie fasste ihre Tochter mit Samthandschuhen an und benahm sich so, als wäre Allegra nur einen Nervenzusammenbruch davon entfernt, in der Irrenanstalt zu landen.
Dabei konnte doch jeder sehen, dass sie völlig gesund war. Allegra war beliebt, fröhlich, sportlich und temperamentvoll.
Unter Cordelias Obhut zu leben, war gelinde gesagt erstickend. Deshalb konnte Allegra es kaum erwarten, endlich achtzehn zu werden und das Haus für immer zu verlassen. Cordelias extreme Sorge um ihr Wohlbefinden war einer der Gründe, warum sie dafür gekämpft hatte, die Duchesne zu verlassen und sich in Endicott einzuschreiben. In New York gab es vor Cordelias Einfluss kein Entrinnen. Und mehr als alles andere wollte Allegra frei sein.
Mrs Anderson zog das Thermometer wieder hervor, blickte kurz darauf und legte es zur Seite. »Draußen warten ein paar Besucher auf dich. Soll ich sie reinlassen?«
»Na klar.« Allegra nickte. Ihr Kopf fühlte sich schon ein wenig besser an und sie fragte sich, ob es an der geschmolzenen Schokolade in Mrs Andersons berühmten Keksen oder an den starken Schmerzmitteln lag.
»In Ordnung, Mädels, ihr könnt reinkommen. Aber ihr müsst sie schonen. Sie darf keinen Rückfall erleiden.« Mit einem letzten Lächeln verließ die freundliche Krankenschwester das Zimmer.
Sofort war Allegras Bett von der gesamten Feldhockey-Mädchenmannschaft umringt. Sie drängten sich außer Atem um sie und trugen noch immer ihre Trikots: grün karierte Schottenröcke, weiße Poloshirts und grüne Kniestrümpfe.
»Oh mein Gott!«
»Geht’s dir gut?«
»Mann, das Teil raste genau auf dich zu!«
»Beim nächsten Mal zahlen wir es diesem Miststück von der Northfield Mount Hermon heim!«
»Keine Sorge, denen werden wir es zeigen!«
»Oh mein Gott,
Weitere Kostenlose Bücher