Gefaelschtes Gedaechtnis
McBride nahm die Beine in die Hand.
Ein Hotelmitarbeiter focht einen vergeblichen Kampf gegen den Schnee, der sich auf dem roten Teppich unter dem Schutzdach vor dem Hoteleingang anhäufte. Außerdem waren da noch ein Mann, der aussah wie ein Admiral — der Portier, wie sich herausstellte —, und zwei Soldaten. McBride rannte auf den Eingang zu.
Dann war er da. Der Portier griff nach der Messingklinke der Tür, zog plötzlich die Stirn kraus und ließ die Hand sinken. Einer der Sicherheitsleute trat hinzu und packte McBride am Arm.
»Brandschutz!«, schrie McBride und hielt dem Mann de Groots Ausweis vors Gesichts, riss sich los und stürzte durch die Tür.
»Stehen bleiben!«
Er lief durch die Lobby mit ihren Kristallkronleuchtern und edlen Teppichen und suchte nach einem Schild mit der Aufschrift »Ballsaal«. Dann sah er es.
Drei Doppeltüren, flankiert von stämmigen Männern in dunklen Anzügen und mit Mikros im Ohr. In der Nähe stand ein Grüppchen Raucher um einen Aschenbecher, und zwei Damen in afrikanischer Tracht mit kunstvollen Frisuren gingen in Richtung Toiletten. Auf einem Sockel stand ein silbern gerahmtes Schild:
Weltwirtschaftsforum
Südafrika-Gala
Einer der Sicherheitsleute sah McBride und hob einen Arm, um ihn aufzuhalten. Aber McBride hatte so viel Schwung, dass er an den Sicherheitsleuten vorbei durch die Türen stürmte.
Aber er kam zu spät.
In dem Saal — mit den kerzenbeleuchteten Tischen, den Blumenarrangements, den weißen Tischdecken und denn schimmernden Kristall — brach gerade Panik aus. Oder zumindest blankes Entsetzen. Männer im Smoking und Frauen im Abendkleid, eine Hand voll. Männer und Frauen in leuchtender afrikanischer Kleidung, alle sprangen auf und blickten sich aufgeregt um. Das normale Stimmengewirr von dreihundert Gästen — Geklapper von Geschirr, Gemurmel, perlendes Gelächter — war einem lauten Aufschrei gewichen. Es klang wie das Gebrüll eines einzigen wilden Tieres, das auf das Podium starrte, wo ein älterer schwarzer Mann hinter einem brennenden Rednerpult stand und auf die Flammen an seinem Revers schlug.
Eine sonderbare Unruhe lag in der Luft, erschreckte Laute und Rufe. McBride sprintete den Gang hinunter. Durch das Menschengewühl hatte er gesehen, wie ein Kellner mit einem Feuerlöscher zum Podium lief.
»Nicht!«, schrie McBride und schüttelte einen Sicherheitsmann ab, der ihn an den Schultern festhalten wollte—während der Kellner gerade den Feuerlöscher auf den brennenden Mann richtete. McBride sprang auf einen leeren Stuhl, dann auf den Tisch, hechtete auf das Podium zu und riss den Kellner mit zu Boden.
Der Feuerlöscher rutschte über den Boden, als McBride sich aufrappelte und schrie: »Der Feuerlöscher ist eine Bombe! Nehmen Sie Ihre Jacketts!« Er riss sich die Jacke vom Leib und schlug damit auf die Flammen auf dem Podium ein, während ein anderer Mann den Redner rettete. Jemand packte McBride von hinten, und irgendetwas krachte gegen sein Ohr und beförderte ihn zu Boden.
Er sah Lederschuhe auf dem blauen Teppich und spürte einen Fuß in seinem Rücken. Das Gesicht von einem der Sicherheitsleute tauchte vor ihm auf, so nahe, dass McBride die Poren auf der Nase sehen konnte, die Stoppeln über der Oberlippe. »Alle raus hier«, rief McBride, plötzlich so leicht wie eine Wolke, dass er das Gefühl hatte, gleich wegzuschweben. »Der Ballsaal ist eine Bombe«, murmelte er. »Der Ballsaal ist eine Bombe.«
Epilog
I n der Woche, die McBride in einer Arrestzelle in Davos saß, bekam er nur ein einziges Mal Besuch: von einem Gentleman der amerikanischen Botschaft in Bern, der ihm ohne Umschweife die Sachlage schilderte.
Der Vorfall im Hauptquartier des Wirtschaftsgipfels würde nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Henrik de Groot würde in einer Privatklinik in einem ungenannten Land behandelt. Ob er irgendwann entlassen würde, hing davon ab, an wie viel — oder wie wenig — er sich erinnern wollte.
McBride sollte eine geringe Geldbuße für die Störung des Banketts bezahlen. Er und seine Freundin würden von Zürich aus mit der ersten Maschine nach Hause in die Staaten geflogen. Was die Ereignisse in Spiez betraf, so waren die zuständigen Stellen des Kantons einhellig zu dem Schluss gekommen, dass ein öffentlicher Prozess für beide Länder nur peinlich sein würde.
»Das ist alles?«, fragte McBride.
Sein Besucher zuckte die Achseln. »Ich überbringe nur die Nachricht«,
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