Gefahr für Al Wheeler
ungeduldigem Schulterzucken. » Gestern nacht war ein Mann aus dem Büro des Sheriffs hier. Ich
wundere mich, daß dort offenbar keine bessere Zusammenarbeit herrscht,
Lieutenant.«
»Sie haben mich nicht richtig
verstanden«, sagte ich milde. »Ihr Vater ist ermordet worden. Ich soll den
Mörder finden. Und deshalb würde ich mich gern mit Ihnen über Ihren Vater
unterhalten.«
»Ach so.« Ihre Worte klangen
nicht schrecklich interessiert.
»Vielleicht bin ich ein bißchen
überrascht«, sagte ich neugierig. »Aber ich hätte eigentlich erwartet, bei
Ihnen eine gewisse Erregung über den Tod Ihres Vaters anzutreffen. Das
scheint...«
»Das scheint nicht der Fall zu
sein?« beendete sie meinen Satz. Dann betrachteten mich ihre braunen Augen eine
Weile mit der sachlichen Konzentration eines Wissenschaftlers, der mit einem
neuen Virus unter seinem Mikroskop konfrontiert wird.
»Wir sind keine gefühlvolle
Familie, Lieutenant«, stellte sie fest. »Natürlich bedaure ich den Tod meines
Vaters. Aber wir standen uns nie besonders nahe. Tatsächlich habe ich ihn in
dieser Woche zum erstenmal seit drei Jahren
wiedergesehen.«
»Sie haben ihn also nicht im
Gefängnis besucht?« fragte ich.
»Er hat nie den Wunsch
geäußert, mich zu sehen, solange er dort war«, sagte sie ruhig und in einem
Ton, als referiere sie statistische Angaben.
»Das scheint mir ungewöhnlich«,
bemerkte ich.
Sie lachte und zuckte
gleichzeitig die Schultern. Es war kein freudiges Lachen.
»Mein Vater war ein
ichbezogener Mann, Lieutenant.« Ihre Stimme klang spröde. »Ich finde, das hat
er bewiesen, indem er es angesichts der Tatsache, der Unterschlagung überführt
zu werden, fertigbrachte, sich an das gewonnene Geld zu klammem.«
»Es war gewiß der Mühe wert,
sich daran zu klammern«, sagte ich. »Beinahe hunderttausend Dollar, nicht wahr?
Glauben Sie, daß ihn jemand wegen des Geldes umgebracht hat?«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte
sie. »Was für einen Grund könnte es sonst gegeben haben?«
»In diesem Stadium vermag ich
nicht darüber zu urteilen«, antwortete ich und ertappte mich bei dem Wunsch,
sie möge sich doch etwas gelockerter und vielleicht ein bißchen menschlicher
benehmen. Ich zog mein Zigarettenetui heraus und bot ihr eine Zigarette an. Sie
nahm sie mit einem steifen kleinen »Danke« heraus.
Ich gab uns beiden Feuer und
sprach dann weiter.
»Ihr Vater hat gestern nacht in einer Bar in der Innenstadt getrunken. Er
erzählte allen Leuten fortwährend, er wolle mit Sheriff Lavers sprechen und ihm jemanden ans Messer liefern. Es schien so, als wollte er
möglicherweise eine alte Rechnung begleichen. Haben Sie vielleicht irgendeine
Ahnung, wovon er gesprochen haben könnte?«
Sie dachte kurz nach, während
sie den Rauch einzog.
»Das klingt ganz nach dem
Großmaul Dan Lambert, im Stadium der Trunkenheit«, sagte sie brutal. »Immer die
Klappe offen, immer jemanden eins auf den Deckel geben wollen, angefangen von
der Maniküre im Friseurgeschäft des Hotels, die sich nicht mit ihm verabreden
wollte, bis zu dem Liftboy, der ihn im falschen Stock aussteigen ließ! Da haben
Sie ein ziemlich gutes Bild vom Wesen meines Vaters, Lieutenant. Alkohol war
die große Ausflucht, was meinen Vater anbetraf.«
Das waren eine Menge Worte der
Verachtung, aber meine Frage war damit nicht beantwortet. Ich versuchte es
erneut. »Glauben Sie, daß das, was Ihr Vater in der Bar geredet hat, von
irgendwelcher Bedeutung war?«
»Eigentlich nicht«, sagte sie
und zuckte dann die Schultern. »Aber ich kann mich natürlich täuschen. Wie ich
Ihnen schon sagte, Lieutenant, ich kam nicht viel mit ihm zusammen. Ich habe
meine eigene Arbeit hier. — Die Pläne meines Vaters haben mich nie
interessiert.«
»Und trotzdem scheinen Sie
ziemlich sicher zu sein, daß die hunderttausend Dollar das Motiv für seine
Ermordung bildeten«, sagte ich. »Wie kommt das?«
Corinne Lambert warf ihren
prächtigen Kopf zurück, und zum erstenmal lag in
ihrem Lachen wirkliche Amüsiertheit. »Wieso sollte ich das nicht sein?« sagte
sie. »Und warum sind Sie das nicht auch? Hunderttausend! Was für ein besseres
Motiv sollte es denn noch geben?«
Dann wurde ihr Ausdruck wieder
gelassen, und sie betrachtete mich neugierig.
»Erzählen Sie mir bloß nicht,
daß Sie nichts von Lenny Kosto wissen?« sagte sie.
»Nun«, knurrte ich, »ich habe
keine Ahnung von Lenny Kosto .«
Sie zog nachdenklich an ihrer
Zigarette und nickte langsam.
»Dann erzähle ich es
Weitere Kostenlose Bücher