Gefahrenzone (German Edition)
Tage später machte Melanie an einem Samstagmorgen eine kleine Spritztour mit ihrer Vespa. Plötzlich sah sie, wie ihr Vater ein Apartmenthaus in Maadi verließ, ein Viertel im Kairoer Süden, das für seine Alleen und Wohnhochhäuser bekannt war.
Sie war überrascht, dass er sie offensichtlich angelogen hatte. Bevor sie ihn jedoch zur Rede stellen konnte, sah sie eine Frau aus dem Gebäude kommen und ihm in die Arme sinken.
Sie war eine bildschöne, exotische Erscheinung. Melanie hatte sofort den Eindruck, dass sie keine Ägypterin war. Ihre Gesichtszüge waren zwar mediterran, aber irgendwie anders. Vielleicht stammte sie aus dem Libanon.
Sie schaute zu, wie sie sich umarmten.
Sie schaute zu, wie sie sich küssten.
In ihren ganzen siebzehn Jahren hatte sie ihre Eltern sich niemals auf diese Weise umarmen oder küssen sehen.
Melanie blieb mit ihrer Vespa eine ganze Zeit auf der anderen Straßenseite im Schatten eines Alleebaums stehen, um die beiden zu beobachten. Schließlich stieg ihr Vater in sein Auto und fuhr davon. Sie folgte ihm nicht. Stattdessen stieg sie von ihrem Roller, setzte sich in den Schatten zwischen zwei geparkten Autos und behielt das Gebäude im Auge.
Plötzlich kamen ihr die Tränen, sie wurde wütend und stellte sich vor, wie die Frau aus der Eingangstür ihres Wohnblocks trat und sie zu ihr hinüberstürzte und ihr mitten auf dem Gehsteig einen Schlag versetzte.
Nach einer halben Stunde hatte sie sich wieder etwas beruhigt. Sie stand auf, um sich auf ihren Roller zu setzen und davonzufahren. In diesem Moment verließ die Frau mit einem Rollkoffer das Gebäude. Sekunden später näherte sich ein gelber Citroën und hielt direkt neben ihr an. Zu Melanies Überraschung lud sie ihr Gepäck in dessen Kofferraum und stieg ein.
Die beiden Männer wirkten irgendwie verdächtig. Sie sahen wie harte Jungs aus und blickten sich bei ihrem kurzen Stopp unruhig nach allen Seiten um. Dann reihten sie sich wieder in den Verkehr ein und brausten davon.
Kurz entschlossen folgte Melanie dem Wagen. Auf ihrer Vespa fiel es ihr leicht, mit dem gelben Citroën Schritt zu halten. Während sie ihren Roller steuerte, kamen ihr die Tränen, als sie an ihre Mutter dachte.
Sie fuhren zwanzig Minuten durch die Stadt und überquerten den Nil auf der Brücke des 6. Oktobers. Als sie das Dokki-Viertel erreichten, wurde Melanie noch schwerer ums Herz. Dokki war voller ausländischer Botschaften. Sie begann zu ahnen, dass ihr Vater nicht nur eine Affäre mit irgendeiner Diplomatenfrau hatte. Sie wusste, dass er als Geheimnisträger für diese unbedachte Dummheit vors Kriegsgericht kommen oder sogar ins Gefängnis wandern konnte.
Plötzlich bog der Citroën ins Tor der palästinensischen Botschaft ein. Jetzt wusste sie endgültig, dass dies nicht nur eine simple Liebesaffäre war.
Ihr Vater war in einen Spionagefall verwickelt.
Sie konfrontierte ihn jedoch vorerst nicht mit ihrer Entdeckung. Sie dachte an ihre eigene Zukunft. Sie wusste, dass sie im Falle seiner Verhaftung als Tochter eines Verräters niemals einen Job beim Außenministerium bekommen würde.
Am Abend vor der Rückkehr ihrer Mutter aus Dallas ging Melanie jedoch in sein Arbeitszimmer. Er saß hinter seinem Schreibtisch, und sie stellte sich direkt vor ihn, wobei sie mit den Tränen kämpfte.
»Was ist los?«
»Du weißt doch, was los ist.«
»Ich?«
»Ich habe sie gesehen. Ich habe euch zusammen gesehen. Ich weiß, was du machst.«
Zuerst stritt Oberst Kraft die Anschuldigungen ab. Er erzählte ihr, dass sich seine Reisepläne im letzten Moment geändert hätten und er daraufhin eine alte Freundin besucht habe. Melanies rasiermesserscharfer Verstand zerpflückte jedoch sein Lügengebäude Stück für Stück. Ihr Vater verwickelte sich immer weiter in Widersprüche, aus denen er schließlich nicht mehr herausfand.
Plötzlich brach er seinerseits in Tränen aus. Er gestand diese Beziehung ein, erzählte Melanie, dass die Frau Mira heiße und er mit ihr seit einigen Monaten eine Affäre habe. Er versicherte ihr, dass er ihre Mutter immer noch liebe und es keine Entschuldigung für sein Verhalten gebe. Schließlich bat er Melanie, ihm etwas Zeit zu geben, um die ganze Angelegenheit zu bereinigen.
Aber Melanie war noch nicht fertig mit ihm.
»Wie konntest du so etwas tun?«
»Ich habe es dir doch bereits erklärt, sie hat mich verführt. Ich war schwach.«
Melanie schüttelte den Kopf. Das hatte sie nicht gefragt. »Ging es dabei um
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