Gefahrenzone (German Edition)
konnte nicht mehr atmen und wollte einfach nur noch weg.
Jetzt da sie wusste, dass die Leute beim FBI die ganze Geschichte kannten, hatte sie Angst um ihre Zukunft. Sie musste damit rechnen, dass sie diese alte Sache jederzeit wieder heimsuchen konnte.
Während der Metrofahrer über den Zuglautsprecher ihre Zielstation ausrief, entschloss sie sich, Lipton zu verschaffen, was er über Jack benötigte. Manches an ihrem Freund schien ihr ja selbst verdächtig, etwa seine plötzlichen Auslandsreisen, seine Ausflüchte, wenn sie ihn fragte, wohin er denn gehe, und seine vagen Auskünfte über seine Arbeit. Aber sie kannte diesen Mann, sie liebte diesen Mann, und sie glaubte nicht eine Sekunde daran, dass er Geheiminformationen stahl, um sich die eigenen Taschen zu füllen.
Sie würde Lipton helfen, aber es würde nichts dabei herauskommen. Lipton würde dann aus ihrem Leben verschwinden, und der Spuk wäre vorbei. Ein weiterer Teil ihres Lebens, den sie dann aus ihrem Gedächtnis verbannen musste. Aber im Gegensatz zu Kairo würde sie diese Geschichte später nicht mehr heimsuchen.
Der leitende FBI-Spezialagent Darren Lipton bog mit seinem Toyota Sienna auf die U.S. 1 ein und fuhr nach Süden in Richtung 14 th Street Bridge. Um exakt neun Uhr morgens überquerte er den Potomac. Sein Herz schlug immer noch heftig, wenn er an das Treffen mit dieser geilen Braut von der CIA dachte, ganz zu schweigen davon, wohin er jetzt unterwegs war.
Es war sogar zu einem Körperkontakt zwischen ihm und dieser Melanie Kraft gekommen, allerdings nicht auf die Weise, wie er es sich eigentlich gewünscht hätte. Als sie ihm ins Gesicht schlug, hätte er sie am liebsten am Hals gepackt, auf den Rücksitz gezogen und sie gebührend bestraft. Er wusste jedoch, dass seine Vorgesetzten sie noch benötigten.
Lipton hatte gelernt, zu tun, was man ihm sagte, ungeachtet dieses ständigen sexuellen Verlangens, das ihn beinahe auffraß .
Der Fünfundfünfzigjährige wusste, dass er jetzt eigentlich nach Hause fahren sollte, aber da gab es diesen Massagesalon in dem heruntergekommenen Motel in der Nähe des Flugplatzes von Crystal City, den er immer wieder aufsuchte, wenn er gerade kein Geld für ein hochklassiges Callgirl hatte. Außerdem war ein solcher Laden auch zu dieser morgendlichen Stunde schon offen. Er wollte dort ein wenig von dem Druck ablassen, den Miss Melanie Kraft in ihm aufgebaut hatte, bevor er nach Chantilly zu seiner ständig herumzickenden Frau und seinen gelangweilten Teenagerkids zurückkehrte.
Morgen würde er seinen Vorgesetzten dann Bericht erstatten und auf weitere Anweisungen warten.
19
N ach zuverlässigen Schätzungen schalteten fast eine halbe Milliarde Menschen regelmäßig die tägliche Hauptnachrichtensendung des Chinesischen Zentralfernsehens um neunzehn Uhr ein. Dazu trug zweifellos bei, dass sämtliche chinesischen Lokalsender per Regierungsdekret verpflichtet waren, diese Sendung ebenfalls auszustrahlen. An diesem Abend war die Einschaltquote wahrscheinlich noch weit höher, da in den Tagen zuvor immer wieder angekündigt worden war, dass der Präsident eine wichtige Rede an die Nation halten würde.
Wei Zhen Lins Ansprache wurde zeitgleich vom Chinesischen Nationalradio übertragen. Damit sollten auch diejenigen erreicht werden, die in den äußeren Provinzen kein Fernsehsignal empfingen oder sich bisher noch kein Fernsehgerät leisten konnten. Damit auch der Rest der Welt die Botschaft des Präsidenten erfahren würde, war sie darüber hinaus auf China Radio International zu hören.
Nachdem die Nachrichtensprecherin den Präsidenten angekündigt hatte, sah man auf allen Fernsehschirmen des Landes einen gut aussehenden und selbstsicheren Wei allein auf ein Rednerpult zugehen, das mitten auf einem roten Teppich stand. Hinter ihm prangte auf einem riesigen Monitor eine chinesische Flagge. Diese bühnenhafte Inszenierung wurde noch durch zwei goldene Seidenvorhänge verstärkt, die auf beiden Seiten des Pultes von der Decke herunterhingen.
Wei trug einen grauen Anzug und eine blau-rot gestreifte Regimentskrawatte. Seine Drahtgestellbrille hatte er etwas auf die Nase heruntergeschoben, damit er seine vorbereitete Rede besser vom Teleprompter ablesen konnte. Bevor er jedoch zu sprechen begann, begrüßte er die halbe Milliarde Landsleute, die ihm an diesem Abend zuschauten, mit einem breiten Lächeln und einem Nicken.
»Meine Damen und Herren, Genossinnen und Genossen, liebe Freunde. Ich spreche
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