Gefahrliches Vermachtnis
Tages würden hier vielleicht all die Blumen blühen, die ihre Großmutter so geliebt hatte.
Dawn nickte einem Reedereimitarbeiter zu. Er öffnete das Tor zu dem Weg, der hinunter zum Fluss führte. Sie ging an rostigen Maschinen und vergammelten Fässern vorbei, bis sie auf einer Plattform am Flussufer stand. Ihre Großmutter hatte diesen Fluss geliebt. Und Dawn hatte ihn auch einmal geliebt. Sie betrachtete das rostbraune Wasser, das zur Bucht floss, und hoffte, dass sie ihn vielleicht eines Tages wieder lieben konnte.
Es dauerte nur einen Augenblick, den letzten Wunsch ihrer Großmutter auszuführen. Dawn öffnete die Kiste und streute Aurores Asche ins Wasser.
„Auf Wiedersehen, Grandmère! Möge Gott dich in Frieden ruhen lassen.“?
Dawn blieb noch lange stehen und schaute aufs Wasser.
Ben stand nur fünfzig Meter von ihr entfernt. Er war zur Beerdigung gekommen. Dawn war sich nicht einmal sicher gewesen, ob er noch in der Stadt war.
Sie ging zu ihm und reichte ihm die Hand. Er lächelte nicht. „Hat Spencer dir gesagt, dass ich hier bin?“
„Das mit deinem Vater tut mir leid.“
„Ich weiß.“
„Spencer meinte, dass dies hier der letzte Wunsch deiner Großmutter war. Sie war schon eine besondere Frau.“
„Wie hast du sie kennengelernt, Ben? Ich habe dich ihr nie vorgestellt, aber ihr seid euch offenbar begegnet.“
„Ich habe sie besucht, ein paar Tage nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Da hattest du die Stadt schon verlassen, und niemand wollte mir sagen, wo du bist. Also bin ich zu deiner Großmutter gegangen und habe darauf bestanden, dass sie es mir sagt.“
Dawn zog die Augenbrauen hoch. „Darauf bestanden?“
„Sie meinte, es würde mir vielleicht guttun, zu bleiben und mit ihr zu reden. Sie hat mich stundenlang ausgefragt.“
„Und hat sie dir verraten, wo ich bin?“
„Nein. Am Ende hat sie mir gesagt, ich verstünde immer noch nicht, dass dein einziges Vergehen war, dass du deinen Onkel und deinen Vater zu sehr geliebt hast. Sie sagte, dass ich nicht reif für eine Versöhnung sei, solange ich diese Qual nicht nachvollziehen könne.“
„Sie traf gerne Entscheidungen für andere.“
„Diesmal hatte sie recht. In den kommenden Monaten dachte ich über alles nach, was sie mir gesagt hatte. Und mir wurde bewusst, dass du zu viel und ich zu wenig liebte.“
Dawn wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
„Zu dem Zeitpunkt hatte ich dich in England aufgespürt“, sagte Ben. „Ich kaufte mir ein Ticket, um zu dir zu fliegen, aber dann bekam ich den Brief mit der Nachricht, dass deine Großmutter gestorben war, und die Einladung nach Grand Isle.“
„Du wolltest nach England fliegen, um mich zu sehen?“
Er lächelte.
„Ich habe mich gefragt, was Grandmère dazu gebracht hat, ihre Geheimnisse zu lüften. Ich dachte, es läge an Onkel Hughs Tod, doch vielleicht war dein Besuch der letzte Auslöser.“
„Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Vielleicht war ich der Beweis dafür, dass Lügen und Geheimnisse immer weitergehen. Vielleicht wollte sie uns die Chance geben, die ihre Generation und die deines Vaters niemals hatten.“
„Ein totaler Neuanfang.“
„Vielleicht.“
Dawn ging in Richtung Straße und er ging neben ihr her. „Warum bist du immer noch in der Stadt? Was ist mit deinem Job?“, fragte sie.
„Ich habe gekündigt. Der Verlag wird mich genug auf Trab halten.“
„Dann bleibst du also in New Orleans?“
„Der Süden braucht einen Verlag, der Bücher zu kontroversen Themen herausbringt. Ich denke, deine Großmutter wollte, dass ich diese Aufgabe übernehme. Ich möchte Bücher finden, die die Menschen zum Nachdenken anregen und sie zusammenbringen, wenn der Rauch sich verzogen hat.“
„Das würde Grandmère gefallen.“
„Was hast du vor?“
„Ich muss mein Projekt in England beenden und danach weiß ich es noch nicht genau. Phillip hat mich vor ein paar Tagen besucht. Er untersucht immer noch die Machenschaften von Largo Haines und hofft, bald genügend Beweise gesammelt zu haben, um sie zu veröffentlichen. Wir sprachen darüber, gemeinsam ein Buch über die Bürgerrechtsbewegung in Louisiana zu machen, mit seinen Texten und meinen Fotos. Ich glaube, wir würden es beide gern versuchen.“
„Ich hoffe, Gulf Coast ist der erste Verlag, den ihr dann kontaktiert.“
Sie blieb am Tor stehen und sah ihn an. „Ben …“
Er berührte sie nicht. „Ich habe immer noch das Ticket nach
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