Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
ausgesetzt zu sein.
    Erst da fiel mir auf, daß sie nicht gesagt hatte, wie sie hieß. Aber das war vielleicht auch egal. Sie hatte ihre eigene Visitenkarte auf der Wange getragen, so wie Johnny Solheims Mutter es sooft getan hatte, dreißig Jahre früher. Einen Bluterguß von einem Schlag.

11
    Ich fuhr wieder in Richtung Stadt.
    Im Vergleich zu dem marktschreierischen Namen war Ekstase Video von der Fassade her äußerst bescheiden aufgemacht. Niemand hatte sich die Mühe bereitet, die handgemalten Buchstaben vom Fenster zu entfernen, die erzählten, daß hier TABAK – ZEITUNGEN verkauft worden waren. Nur auf die Scheibe der Eingangstür war der Lockruf der neuen Zeit gemalt: ACTION – SEX – CRIME. Darüber klebte das aus Plastik ausgeschnittene Logo der Firma. Es bestand aus der weißen Silhouette einer Frau, die so nackt war, daß sie weder Schamhaare noch Brustwarzen hatte.
    Hingegen hatte sie einen rauchenden Revolver in der Hand. Ein leuchtendes Firmenschild über der Tür verkündete: Ekstase Video.
    Ich öffnete die Tür und ging hinein.
    Wenn die Frau, die halb über dem Tresen hing und halb darauf lag, jemals Ekstase empfunden hatte, dann mußte es sie so erschüttert haben, daß sie sich noch immer völlig fertig fühlte. Sie war vom Typ groß, blaß und feist, vom Haar bis zu den Absätzen in Rosa verpackt. Zwischen den Zähnen hatte sie einen großen rosa Klumpen Kaugummi, und genauso sah sie selbst auch aus. Als sei sie aus Kaugummi, zu einem Ball geknetet und etwas langgezogen und dann schließlich an den Tresen geklebt, während sich der Herr Besitzer andernorts vergnügte.
    Sie hob kaum die Lider, als ich eintrat. Es waren keine anderen Kunden da. Vielleicht war ich sogar der erste an diesem Tag.
    Die Tür zum Hinterzimmer stand etwas offen, und um sich dort hinein zu wagen, brauchte man eine Sauerstoffmaske. Die Rauchschwaden hingen tief über zwei kopflosen Unterkörpern, die auf jeder Seite der Türöffnung hervorragten.
    Ich sah mich rasch um. Die Wände waren bedeckt mit Regalen voller Videokassetten. Das gleiche dreistimmige Versprechen leuchtete mir entgegen, jetzt noch zusätzlich unterstrichen von höchst bemerkenswerten Umschlagbildern, deren Hauptingredienzen aus Fleisch und Metall bestanden: Brüste, Schenkel und Schußwaffen.
    »Ich suche einen Tierfilm für die ganze Familie«, sagte ich zu der Dame, um sie sozusagen aufzuwecken. Damit sie keinen Nervenzusammenbruch erlitt, fügte ich schnell hinzu: »Ist der Johnny da?«
    Sie plinkerte mit den Lidern. Hinter ihr erschien ein Kopf mit Sgt.-Peppers-Koteletten und extremem Seitenscheitel in der Türöffnung. Ich erkannte ihn an den Koteletten wieder. Es war Stig Madsen, vom Vorabend.
    Madsen sagte etwas zur anderen Seite hinter der Tür. Der Unterkörper dort stand auch auf, und Johnny Solheim erfüllte die Türöffnung, mit einem Blick randvoll von Skepsis.
    Als er sah, wer ich war, wurde die Skepsis zu Verwunderung.
    »Du, Varg? – Erst sehen wir uns zwanzig Jahre nicht und dann plötzlich an zwei Tagen hintereinander?« Er hob fragend die Hände. »Womit kann ich dir dienen? Rabatt?«
    »Er sagte, er wollte einen Tierfilm. Was für die Familie«, sagte die Dame.
    Johnny ignorierte sie. »Er ist schon immer ein Spaßvogel gewesen.« Der Blick, den er mir zuwarf, war jovial, aber kühl. »Also?«
    »Hast du den Laden hier schon lange, Johnny?«
    »Nein, nein. Dem Stig da drinnen gehört er. Ich hab’ nur mein Geld reingesteckt. Helf’ ein bißchen aus, wenn viel zu tun ist.«
    »So wie heute?«
    »Am Wochenende und so, ja. Jetzt ist es noch’n bißchen früh.«
    »Und mit Familienfilmen is’ also nichts?«
    »Na klar doch, Mensch! Wir haben doch …« Er sah auf die Regale. »Wo waren die noch?«
    »Im letzten Regal. Auf der Rückseite. Ganz unten an der Wand«, klärte ihn die Dame hinter dem Tresen auf. »Aber ich glaube nicht, daß da Tierfilme dabei sind.«
    »Nein, die Tierfilme haben wir im Hinterzimmer – und unter dem Tresen«, sagte Johnny und zwinkerte mir zu.
    »Ich war erst bei dir zu Hause«, sagte ich.
    »Ach ja? Hat Bente dich hergeschickt?«
    »Wenn deine Frau Bente heißt, dann war sie’s wohl, ja.«
    »Und – was wolltest du?«
    Ich zögerte. »Weißt du keinen Ort, wo wir reden können – allein?«
    Er sah sich mit säuerlichem Blick um. »Du siehst ja, wieviel Platz wir haben. Hier ist es so eng, daß wir auf den Gehsteig raus müssen, wenn Bodil den Tampon wechseln will.«
    Ha-ha-ha – die Dame hinter

Weitere Kostenlose Bücher