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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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einer Turnhalle. Unten im Keller des Jugendtreffs. Auf dem Klo, gegen die Wand gelehnt. Auf dem Boden eines Lieferwagens, wenn wir ihn gekriegt hatten. Ich kann dir versichern, Varg – ich kann mich an ein paar der Orte besser erinnern, als an die Mädchen, mit denen ich da zusammen war.«
    »Du kannst den einen Körper nicht vom anderen unterscheiden, meinst du das?«
    Er war weit weg. »Die, an die ich mich am besten erinnern kann, ist sogar eine, mit der ich nicht geschlafen habe. Sie hieß Herdis und kam in der Pause zu mir. Ohne zu zögern kam sie einfach auf mich zu: Du strahlst so eine Wärme aus, von da oben, sagte sie. Im Gegensatz zu den anderen. Ich könnte mich fast in dich verlieben, es gibt heute so viele zynische Menschen. – So redete sie, schnell und direkt. Ich war zu überrumpelt, um was Vernünftiges zu sagen, und als wir wieder rauf aufs Podium sollten, gab sie mir die Hand und sagte: Ich sollte mich wohl vorstellen. Herdis. – Danach verschwand sie unter den Tanzenden, und als wir mit dem Auftritt fertig waren, war sie weg. Ich sah sie nie wieder. Wenn wir später am selben Ort spielten, hab’ ich immer nach ihr gesucht, aber sie war nie da. Ich hatte ein paar Minuten mit ihr geredet, und daraus wurde so eine plötzliche Verliebtheit, die noch jahrelang in einem hängenbleibt. Ich hab’ viele Jahre gehofft, sie irgendwann plötzlich einmal wieder zu treffen. Aber nein. Nie.«
    »Und so hast du weitergemacht, auch nachdem du geheiratet hattest?«
    Er hob resigniert die Hände. »Wir haben, nachdem ich verheiratet war, noch zehn Jahre lang auf Tanzfesten gespielt – weit in den Fjorden und tief in den entlegensten Tälern. Aber das war – Tourneeleben. Es bedeutete nie etwas. Außer – wie gesagt …«
    »Gro?«
    Er nickte. »Aber nicht nur ich bin …«
    Ich unterbrach ihn. »Heute nacht hast du – von deiner Frau gesprochen. Daß du den Johnny eigentlich fragen wolltest … Aber warum sollte der Johnny wissen, wo sie ist?«
    Er begegnete meinem Blick mit einer Haut aus Eis vor den Augen. »Weil sie – weil sie zu ihm gegangen ist – einmal. Früher.«
    Ich spürte, daß ich auf dem Rücken fror. »Das klingt unfaßbar.«
    »Es war unfaßbar! Aber eins hat das Leben mich jedenfalls gelehrt, Varg. Ich habe aufgehört, mich darüber zu wundern, bei welchen Typen bestimmte Frauen schwach werden.«
    »Vielleicht – vielleicht war es nur eine Art Aufruhr? Eine Demonstration? Daß sie gerade ihn gewählt hat, um dir etwas zu zeigen?«
    »In dem Fall hat sie es geschafft, Varg. Die Botschaft ist angekommen, um es mal so zu sagen.«
    »Wann – war das?«
    Er sah auf die Uhr, als sei es vor einer halben Stunde gewesen.
    »Das war … 1982. Wir hatten ziemliche – Probleme gehabt, seit, ja ungefähr seit Grete geboren war, ’79. Ich hatte fast vergessen, wie das war. Die schwierigen Zeiten nach den Geburten. Aber es war ja auch so lange her. Die beiden anderen. Und dieses Mal bin ich mit den Problemen nicht so gut fertig geworden. Vielleicht, weil unsere Beziehung vorher schon ordentlich gelitten hatte. Vielleicht hätte ich sie früher ein bißchen pflegen sollen. Gott weiß, was. Jedenfalls zog sie aus und wohnte bei einer Freundin. Erst hinterher, als sie schon auf dem Weg zu mir zurück war, erfuhr ich, daß sie und der Johnny …«
    »Hat sie es dir erzählt?«
    »Nein, nein. Du kannst dir ja denken, daß …«
    »Es war doch wohl nicht …«
    »Natürlich hat der Johnny mir die Botschaft selber überbracht, bei passender Gelegenheit.«
    Ich nickte.
    »Nicht, daß ich Grund gehabt hätte, mich aufs hohe Roß zu setzen, aber … Mit Johnny, ausgerechnet!«
    Ich beugte mich vor. »Aber …«
    »Aber dann, letztes Jahr, da kam mir wieder dieses merkwürdige Gefühl, daß irgend etwas im Gange war.«
    »Zwischen ihr und dem Johnny?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Ein anderer.«
    »Wer denn?«
    »Ich hab’ es nie – bestätigt gekriegt. Sie ging nicht weg. Es war nur ein Gefühl, was ich hatte, daß irgend etwas im Gange war. Irgend etwas passierte mit ihr. Und dann schließlich, jetzt im Herbst …« Er hob resigniert die Hände. »Wieder weg.«
    »Aber dieser andere …«
    »Ich habe keinen definitiven Verdacht, Varg. Und sie ist auf jeden Fall nicht bei ihm. Soviel weiß ich.«
    »Aber wo ist sie denn?«
    »Danach wollte ich den Johnny fragen … Ob er … Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Die Botschaft ist angekommen. Sie brauchte sie mir nicht zweimal zu schicken.«
    Ich

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