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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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wirklich. Neugier ist schon bei Affen stark ausgeprägt. Folterknechte besitzen jede Menge davon. Das macht sie nicht automatisch zu besseren Menschen.«
    »Sie müssen es ja wissen.«
    Ein bewundernswerter Schlagabtausch. Ich wusste nicht, ob sie im Lager gefoltert worden war – in meiner vorübergehenden Wut war es mir gleichgültig gewesen –, aber sie zuckte nicht, als sie es sagte.
    »Warum benehmen Sie sich so, Wardani?«
    »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass wir nicht mehr in der Virtualität sind.«
    »Richtig.«
    Ich wartete. Schließlich stand sie auf und ging zur Rückwand des Zimmers, wo mehrere Monitore das Tor aus verschiedenen Blickwinkeln zeigten.
    »Sie müssen es mir nachsehen, Kovacs«, sagte sie ernst. »Heute habe ich gesehen, wie hunderttausend Menschen ermordet wurden, um den Weg für unsere kleine Expedition freizumachen. Ich weiß, dass wir es nicht getan haben, aber es kommt mir ein wenig zu einfach vor, wenn ich mich nicht mitverantwortlich fühle. Wenn ich einen Spaziergang mache, weiß ich, dass kleine Stücke von ihnen vom Wind herumgewirbelt werden. Und das ohne die Helden der Revolution, die Sie heute Früh so effektiv getötet haben. Es tut mir Leid, Kovacs. In solchen Dingen habe ich keine Übung.«
    »Also wollen Sie nicht über die beiden Leichen reden, die wir aus dem Schleppnetz gefischt haben.«
    »Gibt es einen Grund, darüber zu reden?« Sie blickte sich nicht um.
    »Deprez und Jiang sind gerade mit der Autopsie fertig geworden. Immer noch kein Hinweis, wodurch sie ums Leben gekommen sein könnten. Keine Spuren an den Knochen, und davon abgesehen gibt es nicht mehr viel, womit sie arbeiten könnten.« Ich stand auf und ging zu ihr, näher an die Monitore heran. »Ich habe mir sagen lassen, dass es Tests gibt, die man mit Knochenzellen machen kann, aber ich habe das Gefühl, dass wir dadurch auch nicht mehr erfahren werden.«
    Das brachte sie dazu, mich anzusehen.
    »Warum?«
    »Weil das, was sie getötet hat, irgendetwas hiermit zu tun haben muss.« Ich tippte gegen den Bildschirm eines Monitors, der das Tor von Nahem zeigte. »Und so etwas hat bisher noch keiner von uns gesehen.«
    »Sie glauben, etwas ist zur Geisterstunde durchs Tor gekommen?«, fragte sie in verächtlichem Tonfall. »Dass die Vampire sie geholt haben?«
    »Etwas hat sie geholt«, sagte ich ruhig. »Sie sind nicht an Altersschwäche gestorben. Ihre Stacks sind verschwunden.«
    »Würde das nicht gegen die Vampirtheorie sprechen? Die Entfernung des Stacks ist doch eher eine typisch menschliche Grausamkeit; nicht wahr?«
    »Nicht unbedingt. Jede Zivilisation, die ein Hyperraumportal bauen kann, muss in der Lage sein, Bewusstseinsinhalte zu digitalisieren.«
    »Dafür gibt es keinen handfesten Beweis.«
    »Nicht einmal der gesunde Menschenverstand?«
    »Der gesunde Menschenverstand?« Wieder lag Verachtung in ihrer Stimme. »Derselbe gesunde Menschenverstand, der vor tausend Jahren behauptet hat, dass sich die Sonne ganz offensichtlich um die Erde dreht? Schließlich muss man nur hinschauen! Derselbe gesunde Menschenverstand, an den Bogdanovich appellierte, als er die Nabentheorie aufstellte? Der gesunde Menschenverstand ist anthropozentrisch, Kovacs. Er geht davon aus, dass sich jede intelligente technologisch orientierte Spezies genauso wie die Menschheit entwickeln muss, weil sich die Menschheit so entwickelt hat.«
    »In dieser Richtung habe ich schon einige ziemlich überzeugende Argumente gehört.«
    »Klar, haben wir das nicht alle?«, gab sie zurück. »Gesunder Menschenverstand für die Massen. Warum sollte man sich die Mühe machen, sie mit irgendetwas anderem zu füttern? Was ist, wenn die marsianische Ethik das Resleeving verbietet, Kovacs? Schon mal darüber nachgedacht? Was ist, wenn für sie der Tod bedeutet, dass man sich als des Lebens unwürdig erwiesen hat? Selbst wenn man zurückgeholt werden könnte, hätte man einfach nicht das Recht dazu?«
    »In einer technisch fortgeschrittenen Zivilisation? Einer raumfahrenden Spezies? Das ist doch Blödsinn, Wardani.«
    »Nein, es ist eine Theorie. Funktionale Raubtierethik. Ferrer und Yoshimoto von Bradbury. Und im Augenblick gibt es nur wenige stichhaltige Beweise, um sie zu widerlegen.«
    »Glauben Sie daran?«
    Sie seufzte und kehrte zu ihrem Sitz zurück. »Natürlich glaube ich nicht daran. Ich versuche Ihnen nur klarzumachen, dass es auf dieser Party mehr zu essen gibt als die bequemen kleinen Gewissheiten, mit denen die menschliche

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