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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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salutierte und kehrte auf dem Absatz um. Als er über die Rampe an mir vorbeiging, warf er mir einen kurzen Blick zu. Er hatte seinem neuen Maori-Gesicht noch nicht die Ausdruckslosigkeit antrainiert, die er früher so gut beherrscht hatte. Er machte einen betrogenen Eindruck.
    Man stieß an den ungewöhnlichsten Orten auf Unschuld.
    Am Ende der Rampe stieß er mit dem Fuß gegen einen Möwenkadaver und geriet leicht ins Stolpern. Mit einem Tritt beförderte er das Federbündel zusammen mit einem Schwall türkisfarbenem Sand davon.
    »Hansen«, sagte er knapp. »Jiang. Schaffen Sie diesen Mist hier weg. Ich will, dass der Strand auf zweihundert Metern Breite rund um das Schiff sauber ist.«
    Ole Hansen zog eine Augenbraue hoch und legte ironisch salutierend eine Fingerspitze dagegen. Sutjiadi sah nicht hin – er war bereits zur Brandungslinie weitergestapft.
    Etwas stimmte nicht.
     
    Hansen und Jiang benutzten die Triebwerke zweier Gravbikes der Expedition, um die Möwenkadaver in einer kniehohen Sturmfront aus Federn und Sand wegzupusten. Auf der Fläche, die sie rund um die Nagini freiräumten, nahm das Lager schnell Gestalt an, als Deprez, Vongsavath und Cruickshank vom Trawler zurückkehrten und mithalfen. Als es völlig dunkel geworden war, standen fünf Ballonkammern in einem ungefähren Kreis um das Schiff im Sand. Sie waren gleich groß, mit einem Chamaeleochrom-Überzug versehen und ohne weitere Merkmale, abgesehen von Illuminium-Ziffern über jedem Eingang. In jeder Kammer konnten vier Personen schlafen, in zwei Doppelzimmern zu je zwei Kojen, die durch einen zentralen Wohnraum getrennt waren. Doch zwei der Einheiten waren in nicht standardgemäßer Konfiguration aufgebaut worden; hier diente ein Schlafzimmer als allgemeiner Versammlungsraum und ein weiteres als Tanya Wardanis Labor.
    Dort fand ich die Archäologin, die immer noch zeichnete.
    Die Tür stand offen. Sie war frisch herausgelasert worden und mit Scharnieren wieder angeklebt worden. Der Epoxidkleber verbreitete immer noch einen leichten Harzgeruch. Ich drückte auf die Klingelfläche und beugte mich hinein.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken.
    »Ich bin’s.«
    »Ich weiß, dass Sie es sind, Kovacs. Was wollen Sie?«
    »Vielleicht eine Aufforderung zum Eintreten?«
    Sie hörte auf zu zeichnen und seufzte. Sie blickte immer noch nicht auf.
    »Wir sind nicht mehr in der Virtualität, Kovacs. Ich…«
    »Ich bin nicht zum Vögeln gekommen.«
    Sie zögerte, dann erwiderte sie meinen Blick. »Gut so.«
    »Also? Darf ich jetzt reinkommen?«
    »Wie Sie meinen.«
    Ich duckte mich durch den Eingang und ging zu ihr hinüber, wobei ich mir einen Weg durch die verstreuten Hardcopyblätter suchen musste, die das Memoryboard ausgespuckt hatte. Es waren allesamt Variationen des gleichen Themas – Sequenzen von Technoglyphen mit daneben gekritzelten Anmerkungen. Während ich zusah, machte sie einen Strich durch ihre aktuelle Skizze.
    »Kommen Sie weiter?«
    »Langsam.« Sie gähnte. »Ich kann mich an weniger erinnern, als ich gedacht hatte. Mit einigen der sekundären Konfigurationen muss ich noch einmal ganz von vorn anfangen.«
    Ich lehnte mich gegen eine Tischkante.
    »Und was meinen Sie, wie lange Sie noch brauchen werden?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ein paar Tage. Dann kommt die Testphase.«
    »Wie lange dauert die?«
    »Alles zusammen, mit primären und sekundären Konfigurationen? Keine Ahnung. Warum? Juckt es Ihnen schon unter den Fingernägeln?«
    Ich blickte durch die offene Tür zum Horizont, wo die Brände in Sauberville einen mattroten Schein in den Nachthimmel warfen. So kurz nach der Explosion und so nahe dran musste sich ein exotischer Elementcocktail ausgebreitet haben. Strontium-90, Jod-131 und all ihre zahlreichen Freunde, wie bei einer Tetrameth-Party der Familienerben der Harlans, die mit ihrer schwatzhaften Begeisterung über den Hafen von Millsport herfielen. Die ihre instabilen subatomaren Jacken wie Pelze von Sumpfpanthern trugen und überall hineinwollten, in jede Zelle, die sie mit ihrem schweren Juwelenschmuck durcheinander bringen konnten.
    Ich zuckte unwillkürlich zusammen.
    »Ich bin nur neugierig.«
    »Eine bewundernswerte Eigenschaft. Dürfte sich nicht besonders gut mit Ihrer Soldatenexistenz vertragen.«
    Ich klappte einen der Stühle auf, die neben dem Tisch gestapelt waren, und ließ mich darauf nieder. »Ich glaube, Sie verwechseln Neugier mit Mitgefühl.«
    »Wirklich?«
    »Ja,

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