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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Traum…
    Siehst du es, Wedge-Wolf? Siehst du es?
    Semetaire?
    Er verflüchtigte sich beim Geräusch enthusiastischen Zähnereinigens, das aus der Badnische drang. Als ich den Kopf drehte, sah ich Schneider, der sich mit einer Hand das Haar trocknete, während er in der anderen eine Energiebürste hielt und damit gründlich sein Zahnfleisch bearbeitete.
    »Morgen«, sagte er schäumend.
    »Morgen.« Ich richtete mich halbwegs auf. »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach fünf.« Mit einem entschuldigenden Achselzucken spuckte er ins Becken. »Eigentlich wäre ich noch nicht aufgestanden, aber Jiang springt draußen in irgendeiner verrückten Kampfsportübung herum, und ich habe einen leichten Schlaf.«
    Ich neigte den Kopf und lauschte. Das Neurachem zoomte durch die Öffnung im Synthleinen das deutliche Geräusch schweren Atems und raschelnder Kleidung heran, die regelmäßig straff gezogen wurde.
    »Verdammter Irrer«, brummte ich.
    »Ich würde sagen, dass er hier in guter Gesellschaft ist. Ich dachte, das wäre eine Einstellungsvoraussetzung. Die Hälfte der Leute, die Sie rekrutiert haben, sind Irre.«
    »Ja, aber Jiang scheint der Einzige zu sein, der unter Schlaflosigkeit leidet.« Ich stand wankend auf und wunderte mich darüber, wie viel Zeit der Kampfsleeve brauchte, um sich komplett online zu bringen. Vielleicht war es genau das, wogegen Jiang Jianping etwas unternahm. Es war immer unangenehm, mit einem Sleeve-Defekt aufzuwachen, was so etwas ein Vorbote der letztlich unausweichlichen Sterblichkeit war, ganz gleich, wie subtil es sich manifestierte. Wenn die Alterung einsetzte, blinkte selbst der leichteste Schmerz in heller Leuchtschrift. Nur noch begrenzte Verfügbarkeit.
    Raschel-Spann!
    »Haiii!!!«
    »Stimmt.« Ich drückte fest mit Zeigefinger und Daumen auf meine Augäpfel. »Jetzt bin ich auch wach. Sind Sie bald mit Zähneputzen fertig?«
    Schneider reichte mir die Bürste. Ich nahm einen neuen Kopf aus dem Schrank, erweckte ihn zum Leben und trat in die Duschnische.
    Auf ein Neues!
     
    Jiang hatte sich bereits etwas abreagiert, als ich angekleidet und mit relativ klarem Kopf vom Schlafzimmer in den Aufenthaltsbereich trat. Er stand mit beiden Füßen auf dem Boden und bewegte sich leicht hin und her, während er ein langsames Muster defensiver Konfigurationen in die Luft zeichnete. Der Tisch und die Stühle im Wohnzimmer waren auf eine Seite geräumt worden, damit er Platz hatte, und der Haupteingang zur Ballonkammer stand offen. Von draußen strömte Licht herein, das vom Sand blau getönt war.
    Ich holte mir eine Dose Amphetamin-Cola aus dem Automaten, zog den Verschluss auf, trank und beobachtete.
    »War etwas los?«, fragte Jiang, während sich sein Kopf hinter einer ausladenden Blockade des rechten Arms in meine Richtung schob. Irgendwann in der vergangenen Nacht hatte er das dichte schwarze Haar seines Maori-Sleeves auf einheitliche zehn Millimeter gestutzt. Das Gesicht, das durch die Rasur zum Vorschein kam, war grobknochig und hart.
    »Machen Sie das jeden Morgen?«
    »Ja.« Die Silbe klang gepresst. Blockade, Gegenschlag, Unterleib, Brustbein. Er konnte sehr schnell sein.
    »Beeindruckend.«
    »Notwendig.« Ein weiterer tödlicher Schlag, wahrscheinlich gegen die Schläfe, und aus einer Blockadekombination heraus geliefert, die Rückzug signalisiert hatte. Sehr nett. »Jede Fähigkeit muss geübt werden. Jede Tat muss geprobt werden. Eine Klinge ist nur dann eine Klinge, wenn sie schneidet.«
    Ich nickte. »Hayashi.«
    Das Muster lief um einen Bruchteil langsamer ab.
    »Sie haben ihn gelesen?«
    »Bin ihm einmal begegnet.«
    Jiang hielt inne und kniff die Augenlider leicht zusammen, während er mich ansah. »Sie sind Toru Hayashi begegnet!«
    »Ich bin älter, als ich aussehe. Wir waren auf Adoracion gemeinsam im Einsatz.«
    »Sie sind ein Envoy?«
    »Ich war.«
    Einen Moment lang schien er nicht zu wissen, was er sagen sollte. Ich überlegte, ob er dachte, dass ich ihn veralberte. Dann nahm er die Arme nach vorn, legte die rechte Faust auf Brusthöhe in die linke Hand und verbeugte sich über der Geste.
    »Takeshi-san, wenn ich Sie gestern mit meinen Worten über die Furcht beleidigt habe, entschuldige ich mich. Ich bin ein Dummkopf.«
    »Kein Problem. Ich war nicht beleidigt. Wir alle gehen auf unterschiedliche Weise damit um. Haben Sie ein Frühstück eingeplant?«
    Er zeigte dorthin, wo der Tisch an der Wand aus Synthleinen stand. In einer flachen Schale lag frisches Obst und etwas, das

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