Gefallene Sonnen
Geschosse explodiert, deren chemische Struktur genauso beschaffen ist wie die der Waffen, die unser Militär verwendet. Weitere Schlüsse ziehe ich derzeit noch nicht.«
Stromo verzog das Gesicht, ging fort und überließ die Technikerin ihrer Arbeit. Er befragte zwei andere Spezialisten und bekam ähnliche Antworten. Die rätselhaften Angreifer hatten entweder ausgezeichnete Arbeit dabei geleistet, die chemischen Signaturen der TVF nachzuahmen, oder tatsächlich Waffen des terranischen Militärs eingesetzt. Stromo schüttelte den Kopf. Wie war das möglich?
General Lanyan hatte Berichte von allen zehn Gitter-Admiralen erhalten. Nach der Aussage des Mädchens Orli Covitz hatte es sich um einen Moloch und fünf Mantas gehandelt, aber keine Kampfgruppe der TVF hatte sich auch nur in der Nähe von Corribus befunden.
»TVF-Kriegsschiffe können doch nicht einfach so verloren gehen«, sagte Stromo laut.
Bauten die Ildiraner exakte Kopien, mit denen sie terranische Kolonien angriffen? Das ergab keinen Sinn. Hatte jemand nach der Schlacht von Osquivel beschädigte Schiffe der TVF in den Ringen des Gasriesen gefunden? Fünf Mantas und ein Moloch. Diese Zusammenstellung wirkte irgendwie vertraut.
Fünf Mantas und ein Moloch.
Stromo schnappte nach Luft, als er sich plötzlich erinnerte. Eine solche Schiffsgruppe war vor einem Jahr im Rahmen einer Erkundungsmission zum Gasriesen Golgen geschickt worden. Es war ein Testflug gewesen, bei dem sich zeigen sollte, wie gut die neuen Soldaten-Kompis unter Einsatzbedingungen funktionierten, unter der Aufsicht von nur einigen wenigen Menschen. Jene fünf Mantas und der Moloch waren nie von ihrer Mission zurückgekehrt.
Man hatte keine Trümmer gefunden und bisher vermutet, dass die fünf Schiffe den Hydrogern zum Opfer gefallen waren. Stromo blieb stehen. Ein Feind konnte die Schiffe unter Kontrolle gebracht und damit die Kolonie auf Corribus angegriffen haben!
Ein schweres Gewicht lastete plötzlich auf Stromos Brust. Er hob die Stimme und rief den Analytikern zu: »Nehmen Sie alle Proben, die Sie brauchen, aber beeilen Sie sich! Wir müssen so schnell wie möglich von hier fort, damit ich General Lanyan Bericht erstatten kann.«
67 PRINZ DANIEL
OX befolgte die Anweisungen des Vorsitzenden und erwies sich als strenger Zuchtmeister. Zuvor hatte Daniel den Lehrer-Kompi wegen seiner endlosen Erinnerungen und persönlichen Geschichten über längst tote Leute verabscheut. Jetzt begann er den kleinen Roboter zu hassen.
Es erstaunte Daniel, wie wund und müde sich sein Körper anfühlen konnte: Arme, Beine, Bauch, Rücken, Muskeln, von deren Existenz er gar nichts gewusst hatte. Nie zuvor hatte er so viel Bewegung bekommen, und OX zeigte keine Gnade. Konnte ein Kompi auch nur ansatzweise verstehen, wie sich Muskelschmerzen anfühlten?
Die drakonischen neuen Maßnahmen galten noch nicht lange, aber Daniel wusste, dass er sterben würde, wenn es auf diese Weise weiterging. Die Dinge, die man von ihm erwartete, hatten überhaupt keinen Sinn. OX zwang ihn, mit perfekter Haltung zu sitzen; er durfte sich nicht entspannen, nicht einmal die Schultern hängen lassen. Er sollte auf sein äußeres Erscheinungsbild achten – obwohl ihn hier in den Folterkammern des Flüsterpalastes niemand sehen konnte.
OX berechnete den Kalorienbedarf und stellte Mahlzeiten zusammen, die bewirkten, dass der Prinz Gewicht verlor. Die Wächter brachten Teller mit enttäuschend kleinen Portionen abscheulich gesunder Nahrung. Wenn Daniel den Wächtern nicht mit einem angemessenen Maß an Respekt und Dankbarkeit begegnete, schickte der Lehrer-Kompi sie mit dem Essen fort. Warum in aller Welt musste ein Prinz höflich sein? Andere Leute sollten ihm Respekt zeigen, nicht umgekehrt! Daniels Magen knurrte ständig. Nie zuvor war er so hungrig gewesen, und er sehnte sich nach etwas Süßem.
Trotz der Erschöpfung konnte er kaum schlafen. Prinzen sollten in Luxus leben! Er ärgerte sich so sehr über die jüngsten Veränderungen, dass er sich nicht auf den Unterricht konzentrieren konnte. Doch immer dann, wenn er seine Gedanken treiben ließ, zwang ihn der Lehrer-Kompi, während der restlichen Lektion zu stehen und alles zusammenzufassen.
Er sah kein Ende des Elends und beschloss deshalb zu revoltieren. Er musste dem Vorsitzenden Wenzeslas zeigen, dass er so etwas nicht hinnehmen konnte. Er war der Prinz: Niemand durfte ihn so behandeln. Zwischen den Unterrichtsstunden begann Daniel damit, einen Plan zu
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