Gefallene Sonnen
Fluren unterwegs. Als die Geschäftigkeit zunahm, vermutete Daniel, dass eine Art Schichtwechsel stattfand. Wie beiläufig gesellte er sich den müde wirkenden Bediensteten hinzu und trat kurze Zeit später auf eine große Terrasse. Seit einem Jahr war er nicht mehr im Freien gewesen, und nun staunte er über den Himmel.
Aber er durfte nicht wie ein Narr dastehen und zu den bunten Touristenzeppelinen über dem Königlichen Kanal emporstarren. Er eilte die flachen Stufen der breiten Treppe hinunter und warf einen Blick über die Schulter, bevor er zusammen mit vielen Leuten den großen Platz betrat. Mit einem selbstgefälligen Lächeln stellte er sich den Aufruhr vor, den seine Flucht auslösen würde.
68 RLINDA KETT
Als Rlinda von BeBobs Verhaftung erfuhr, flog sie mit der Neugier zur Mondbasis der Terranischen Verteidigungsflotte, bereit dazu, ihren Ex-Mann aus seiner Zelle zu holen. Er war erst am vergangenen Tag unter Arrest gestellt worden, und General Lanyan wollte schon eine erste Anhörung stattfinden lassen. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Ohne Erlaubnis ging sie auf dem Landefeld im Innern des Kraters nieder, und TVF-Wächter eilten ihr entgegen. »Sie sind nicht befugt, sich hier aufzuhalten, Ma’am. Wenn Sie die Basis nicht unverzüglich verlassen, wird Ihr Schiff beschlagnahmt.«
Von der Rampe ihres Schiffes aus zeigte Rlinda den Wächtern ihren besten Das-kann-doch-nicht-euer-Ernst-sein-Ausdruck – eine Mischung aus Ungläubigkeit, Erheiterung und Trotz. »Von wegen. Branson Roberts ist einer meiner Piloten, und kein NBUZD wird mich daran hindern, zu ihm zu gehen.«
Die TVF-Wächter wechselten verwirrte Blicke. »NBUZD, Ma’am? Diese Abkürzung kennen wir nicht.«
»Sie beschreibt euch: nicht bezahlt, um zu denken.« Rlinda stemmte die Hände an die breiten Hüften. »Bringt ihr mich nun zu Captain Roberts, oder muss ich herumlaufen und nach ihm suchen?«
Die Wächter gaben nicht nach. »Dem Gefangenen wird Desertion vorgeworfen. Besuche sind nicht gestattet.«
»Das werden wir sehen.«
Sechs Stunden lang fiel Rlinda allen auf die Nerven. Sie schüchterte Wächter ein, betrat Büros, stapfte durch Korridore, unterbrach Besprechungen und schickte Anfragen an alle möglichen Leute. Sie weigerte sich standhaft, die Basis zu verlassen. General Lanyan wollte sie nicht empfangen. Davlin Lotze blieb unerreichbar – nachdem er dafür gesorgt hatte, dass die Flüchtlinge von Crenna provisorische Unterkünfte beim Flüsterpalast bekamen, war er verschwunden, offenbar in Zusammenhang mit einer neuen geheimnisvollen Mission.
Schließlich gelang es Rlinda, sich mit dem Vorsitzenden Wenzeslas in Verbindung zu setzen, und sie verlangte von ihm, etwas zu unternehmen. Seine Antwort enttäuschte sie. »Ich habe Ihnen meine Position in dieser Angelegenheit verdeutlicht, bevor Captain Roberts von Ihnen an dieser Sache beteiligt wurde. Ich habe Sie klar und deutlich darauf hingewiesen, dass ich nicht helfen würde. Seit Jahren hält General Lanyan nach jemandem Ausschau, an dem er ein Exempel statuieren kann, und Roberts war so dumm, sich ihm auf dem silbernen Tablett anzubieten.«
»Wie wäre es mit einer Klärung der Prioritäten, Vorsitzender? Captain Roberts hat Davlin geholfen, all die Kolonisten von Crenna in Sicherheit zu bringen. Und er hat das Mädchen und den alten Mann gerettet, die auf Corribus festsaßen, nicht wahr? Außerdem riskierte er Kopf und Kragen, um Ihnen wichtige Neuigkeiten zu bringen, die Sie sonst nicht bekommen hätten. Das sollte man ihm zugute halten, oder?« Rlinda starrte auf den Bildschirm, aber der Gesichtsausdruck des Vorsitzenden veränderte sich nicht.
»Ihm wird Desertion zur Last gelegt, Captain Kett. Ich fürchte, in Hinsicht auf die Interpretation der Vorschriften ist General Lanyan sehr streng, und mildernde Umstände ändern nichts an den Fakten. Innerhalb von zwei Tagen wird Captain Roberts vors Kriegsgericht gestellt, das über ihn urteilt.«
»Über ihn urteilt? Sollte vorher nicht festgestellt werden, ob er schuldig oder unschuldig ist?«
»Dies ist eine Angelegenheit der TVF, Ms. Kett. Ich werde nicht versuchen, auf die Militärgerichtsbarkeit Einfluss zu nehmen.«
Rlinda war sich nicht einmal zum Betteln zu schade. »Lassen Sie mich wenigstens zu ihm. Bitte!«
Der Vorsitzende runzelte die Stirn und überlegte. »Na schön. Aber mehr kann ich nicht für sie tun. Andere Dinge erfordern meine Aufmerksamkeit.«
Verdrießliche Wächter führten Rlinda durch
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