Gefallene Sonnen
ihrer Tochter. Aber das Leben kehrte in Nira zurück. Nach allem, was sie hinter sich hatte, wollte sie jetzt nicht aufgeben. Sie hielt an ihrer Hoffnung fest.
Nira verbrachte zwei Tage damit, einen Höhenzug zu überqueren. In einem breiten Tal fand sie den dichtesten Wald, den sie bisher auf Dobro gesehen hatte. Die Bäume waren größer als sie, die knorrigen Zweige der Wipfel miteinander verflochten. Der Geruch von feuchtem Laub und lebendem Holz machte für Nira jeden Atemzug zu einem Vergnügen und weckte alte Erinnerungen. Nach all den Jahren vermittelte er ihr das Gefühl von Frieden.
Sie dachte daran, an diesem Ort zu bleiben, eine Hütte zu bauen und hier den Rest ihres Lebens zu verbringen. Ihre Chancen, zur Zivilisation zurückzukehren, waren gering, und »Zivilisation« bedeutete in diesem Fall die verhassten Zuchtlager. Warum sollte sie sich nicht in diesem Wald niederlassen?
Sie kannte die Antwort: Sie musste ihre Tochter finden und zum geliebten Weltwald zurückkehren.
Einen Tag ruhte Nira aus, an dunkle Baumstämme gelehnt. Sie sprach laut, erzählte ihre Geschichte, teilte den verkrüppelten Gewächsen ihre Gedanken mit. Doch im Gegensatz zu den Weltbäumen nahmen diese Pflanzen ihre Worte nicht auf, um sie einem größeren Bewusstsein hinzuzufügen. Vielleicht hörten und verstanden sie, aber selbst wenn das der Fall war: Sie konnten nicht antworten. Oder sie antworteten, und Nira hörte sie nicht, weil sie geistig taub geworden war.
Sie durfte nicht vergessen, was mit ihr geschehen war, so sehr sie sich auch wünschte, jene Bilder aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Sie musste die Erinnerungen an die grauenhafte Zeit im Zuchtlager bewahren, um ihrer Tochter willen…
Eine Woche später gelangte sie in ein Gebiet, das den Eindruck erweckte, früher landwirtschaftlich genutzt worden zu sein. Sie erreichte einen geraden Weg und dann die Fundamente alter Gebäude. Es waren die Ruinen einer vor langer Zeit verlassenen ildiranischen Siedlung, umgeben von Feldern, auf denen längst Unkraut die Herrschaft angetreten hatte.
Nira stand in der Mitte des ehemaligen zentralen Platzes und hörte, wie der Wind in den Ruinen der Gebäude flüsterte. Von den Gräsern kam ein leises Rascheln, wie geisterhafte Worte jener, die einst hier gelebt hatten.
Nira wollte rufen, brachte aber nur ein seltsam klingendes Krächzen hervor. Niemand antwortete. Kein die Einsamkeit fürchtender Ildiraner wäre allein an diesem Ort zurückgeblieben.
Hier lebte schon seit langem niemand mehr. Nichts von dem alten Ausrüstungsmaterial funktionierte. Nira hatte gehofft, ein Kommunikationssystem oder eine Karte des Kontinents zu finden, aber alles war zu Staub zerfallen.
Jahrhunderte mussten seit der Aufgabe dieser Siedlung vergangen sein.
Nira berührte die weiche, verwitterte Wand einer Ruine und glaubte fast, vergessene Träume zu spüren. Doch hier gab es nichts für sie.
Sie setzte ihre Wanderung fort und ließ die Geisterstadt hinter sich zurück.
72 CELLI
Benetos hölzernes Gesicht zeigte stolze Zufriedenheit, als er beobachtete, wie die grünen Priester Schösslinge vorbereiteten. Forscher durchstreiften die Bereiche des Waldes, die sich teilweise erholt hatten, pflückten blasse Triebe aus Spalten in der Rinde und pflanzten sie in Töpfe. Tausende von kleinen Schösslingen wurden für den Transport zu anderen Planeten bereitgestellt, wo das Bewusstsein der Verdani wachsen konnte, selbst wenn die Hydroger nach Theroc zurückkehrten.
Aber wie hilft uns das?, dachte Celli.
Obwohl sie keine grüne Priesterin war, arbeitete sie mit Solimar zusammen, um zu helfen – sie wollte nicht abseits stehen und zusehen. Der Angriff der Hydroger hatte alle erschüttert, und der ständige Geruch von Rauch und Asche hatte selbst Cellis sonst immer gute Stimmung getrübt. Aber jetzt erholte sie sich langsam.
Eine Woche nach Benetos Aufforderung war die erste Schiffsladung Schösslinge bereit, zu den Sternen geschickt zu werden, und Cellis Schwester Sarein hatte Schiffe der Hanse für den Transport gerufen. Grüne Priester würden an Bord gehen und ihre Fähigkeiten in den Dienst der Hanse stellen. Häuschen Apfelkern.
Solimar reichte ihr einen dünnen Stängel, der von einem verletzten Baum stammte. »Hier ist einer für dich.« Sieben Töpfe standen vor Celli, gefüllt mit weicher Erde, Mulch und Dünger. Der grüne Priester half ihr dabei, eine Mulde für den Schössling zu schaffen, und ihre Hände berührten sich, als sie
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