Gefallene Sonnen
selbst und einer Thermosflasche mit Pfefferblumentee sowie vier Tassen zurück. Er nahm auf dem Sitzpolster Platz, während die Zwillinge vorgaben, es auf dem Eisblock bequem zu haben. »Während du dort stehst und vor dich hin glühst, könntest du uns deine Geschichte erzählen. Hier, das wärmt dich auf.«
Jess rührte die Tasse nicht an. »Das ist nicht nötig, Onkel Andrew.«
»Wir haben auch etwas Stärkeres, wenn du möchtest«, bot Torin an. »Wir brennen es selbst.«
»Die Wentals geben mir alles, was ich brauche. Nun, hört meine Geschichte…« Jess erzählte, wie er die Wentals aus den Wassermolekülen eines interstellaren Nebels gewonnen und die Kommunikation mit ihnen begonnen hatte. Er berichtete, dass die Wentals nach der Zerstörung seines Schiffes durch die Hydroger seine Körperzellen durchdrungen und ihn am Leben erhalten hatten. Dadurch war er für immer verändert worden. Er schilderte auch seine Mission, die Verbreitung der Wentals im Spiralarm.
Wynn schnaufte, und sein Atem kondensierte zu einer grauweißen Wolke. »Diese übernatürlichen Wental-Wesen, die du in dir trägst und auf anderen Welten aussetzt… Ich weiß nicht, ob wir sie hier auf Plumas wollen. Es ist mir gleich, wie du sie nennst: Wesen, Geister oder Elementargeschöpfe.«
»Es sind Feinde der Hydroger«, betonte Andrew.
Torin wirkte ebenfalls besorgt. »Trotzdem. Wir müssen an unsere Geschäfte denken.«
»Keine Sorge«, sagte Jess. »Ich würde nichts tun, das die Wasserminen in Gefahr bringt. Die Wentals sind damit einverstanden, sich hier nicht auszubreiten. Sie haben mich grundlegend verändert, so wie die Weltbäume einen Menschen in einen grünen Priester verwandeln. Meine Veränderung geht auf eine bewusste Entscheidung der Wentals zurück – sie wollten mir das Leben retten, weil ich der Einzige war, der von ihnen wusste. Hier auf Plumas werden sie für sich bleiben, wie die Weltbäume auf Theroc.«
»Was haben die Weltbäume damit zu tun?«
»Die Verdani sind ebenso Elementarwesen wie die Wentals – und auch die Faeros und Hydroger. Vor zehntausend Jahren kam es zwischen ihnen zu einem furchtbaren Krieg.« Jess schüttelte den Kopf. »Die Wentals wurden fast ausgelöscht, ebenso die Weltbäume. Die Hydroger zogen sich in die Tiefen von Gasriesen zurück, und die Faeros versteckten sich in Sonnen.«
»Und jetzt kehren sie alle zurück und gehen sich erneut an die Kehle«, brummte Torin. »Und wir stecken mitten in dem Durcheinander.«
»Ich bin nicht gekommen, um Plumas mit Wentals zu überschwemmen«, sagte Jess. »Es gibt genug andere Welten, auf denen sie sich ausbreiten können. Andere Gründe führen mich hierher, und der wichtigste von ihnen ist dieser: Ich wollte meine Heimat und meine Familie Wiedersehen.«
Die Worte schienen Andrew zu beruhigen. Er stand auf und schien bereit zu sein, zur Arbeit zurückzukehren. Offenbar hielt er alle wichtigen Dinge für besprochen.
»Nach all deinen Schilderungen würde ich dich gern umarmen, Junge«, sagte Wynn. »Aber das scheint mir keine besonders gute Idee zu sein.«
»Nein, ganz und gar nicht.« Jess lächelte einmal mehr, und sein wässrig-blauer Blick reichte in die Ferne. »Aber mit der Kraft der Wentals kann ich hier etwas tun, das ich mir lange gewünscht habe.«
75 PRINZ DANIEL
Nach einigen Tagen ganz auf sich allein gestellt war Daniel von der Freiheit nicht mehr so angetan.
Er hatte Hunger. Ihm fehlten ein Platz zum Schlafen und Freunde. Wohin er auch ging: Immer stellte er sich vor, dass Gesandte des Vorsitzenden nach ihm suchten. So unauffällig wie möglich sah er sich Nachrichtensendungen an und wartete auf die Meldung, dass der Prinz verschwunden war. Er hatte angenommen, dass die Hanse eine hohe Belohnung für seine sichere Rückkehr aussetzte. Doch seine Flucht blieb unerwähnt. Die Öffentlichkeit musste davon ausgehen, dass sich Prinz Daniel noch immer im Flüsterpalast befand.
Seine Kleidung war inzwischen schmutzig und an einigen Stellen aufgerissen. Er gab es nicht gern zu, aber er hätte sich jetzt sogar über eine der von OX zusammengestellten widerlich gesunden Mahlzeiten gefreut. Seine Situation gefiel ihm immer weniger.
Aus reiner Verzweiflung näherte er sich dem Stadtviertel, wo er einst mit seinem Stiefvater und seiner schlampigen Schwester gewohnt hatte. Er bereute keineswegs, sie verlassen zu haben, aber vielleicht konnten sie ihm jetzt helfen. Er stellte sich vor, seiner Schwester all den Luxus zu schildern, den er
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