Gefallene Sonnen
schwankte.
Die Evakuierung ging weiter, und Sullivan gab Anweisungen durch das Kom-System, das die einzelnen Module der großen Fabrik miteinander verband. »Ihr habt jeden Grund, in Panik zu geraten, aber gerade jetzt solltet ihr besser darauf verzichten. Mit Übungen haben wir uns immer wieder auf diese Situation vorbereitet. Alle begeben sich zu den ihnen zugewiesenen Evakuierungsmodulen und verlassen die Himmelsmine. Hiermit erkläre ich diese Fabrik offiziell für aufgegeben.«
Männer und Frauen liefen durch Korridore, eilten Treppen hoch und hasteten über die Decks zu den kleinen Rettungsschiffen. Während es am Himmel von Qronha 3 donnerte, zwang sich Sullivan, auf das konzentriert zu bleiben, was er tun musste.
»Hat die TVF Schiffe in der Nähe?«, fragte er den grünen Priester, der noch immer auf dem Beobachtungsdeck stand.
Kolker sprach nicht mehr zu dem Schössling in seinen Armen, sondern brüllte, als könne er damit den Telkontakt beschleunigen. Er schickte seine verzweifelten Gedanken ins Kommunikationsnetz des Weltwalds, informierte die Terranische Hanse, die Terranische Verteidigungsflotte und alle auf Theroc. Als er Sullivans Stimme hörte, drehte er sich um. »Die TVF hat Schiffe hierher geschickt, aber sie können erst in zwei oder drei Tagen hier sein.«
»Großartig. Wir wissen die Hilfsbereitschaft sehr zu schätzen, aber wenn die Schiffe hier eintreffen, ist alles vorbei.« Sullivan griff nach dem Arm des grünen Priesters. »Kommen Sie, Kolker, wir müssen zu unseren eigenen Stationen. Ich habe Lydia versprochen, keine unnötigen Risiken einzugehen.«
Der grüne Priester lief neben ihm übers offene Deck und hatte dabei Mühe, den Schössling festzuhalten.
Die Kugelschiffe feuerten erneut, und die ganze Himmelsmine schüttelte sich. Auf den unteren Decks krachten Explosionen. Sullivan hatte keine Ahnung, wie viel Schaden bereits angerichtet worden war, aber er wusste: Die Hydroger würden ihre Angriffe erst einstellen, wenn die ganze Fabrik vernichtet war.
Bevor Sullivan und Kolker das Ende des Beobachtungsdecks erreichen konnten, feuerten zwei weitere Kugelschiffe und trafen die halb vollen Ekti-Tanks. Es kam zu einer gewaltigen Explosion, deren enorme Druckwelle zwei Triebwerke zerstörte. Ohne die Levitationsfelder neigte sich das Deck plötzlich zur Seite.
Kolker stolperte, fiel und rutschte zum Rand.
Sullivan vergeudete keinen Gedanken an die eigene Sicherheit und sprang, um den grünen Priester zu retten. Kolker versuchte, sich irgendwo festzuhalten, und dadurch verlor er den Schössling. Der kleine Baum fiel, und sein Topf zerbrach.
Der grüne Priester versuchte, den Schössling zu erreichen. »Nein!«
Sullivan schloss die linke Hand um eine Strebe, streckte gleichzeitig die rechte aus und bekam Kolkers Fußknöchel zu fassen.
Der grüner Priester bemühte sich, länger zu werden und nach dem Schössling zu greifen. Doch der kleine Baum fiel über den Rand des Decks und in die Tiefe…
Kolker war so entsetzt und fassungslos, als hätte er gerade ein Kind verloren. Der Schössling wurde immer kleiner, zu einem winzigen Fleck vor dem Hintergrund wogender Wolken.
Irgendwie wurden die Hydroger darauf aufmerksam. Aus reiner Boshaftigkeit feuerte ein Kugelschiff und verwandelte den kleinen Weltbaum in Asche, die vom zornigen Wind fortgeweht wurde.
Sullivan schloss die Hand noch fest um Kolkers Fußknöchel, während der grüne Priester, plötzlich abgeschnitten vom Weltwald, einfach nur mit offenem Mund starrte.
Unter der Himmelsmine kam es zu weiteren Explosionen, die die instabile Fabrik in eine Pendelbewegung versetzten. Als sich der Neigungswinkel des Beobachtungsdecks verringerte, sah Sullivan eine Chance und zog Kolker in Sicherheit, bevor das Deck erneut kippte. »Wir müssen weg von hier!«
»Der Baum…«
»Sie können ihm jetzt nicht mehr helfen, und ich lasse Sie nicht einfach hier zurück.« Sullivan zog den grünen Priester auf die Beine und eilte mit ihm zum Kommandodeck, wo das Aufsichtspersonal bereits an Bord der Rettungskapseln gegangen war.
»Los!« Sullivan schob Kolker ins kleine Schiff, kletterte ebenfalls hinein und schickte sich an, die Luke zu schließen. Sein Blick glitt über die Personen, die bereits Platz genommen hatten. »Haben Sie eine Überprüfung vorgenommen? Sind alle da?«
»An Bord des Rettungsmoduls Sieben fehlen drei Personen«, erwiderte jemand.
Tabitha Huck saß in einer Ecke und blickte auf die Anzeigen ihres Handcomputers.
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