Gefangen in der Schreckenskammer
aber doch so, daß Tim, Karl
und Klößchen nicht mithalten konnten. Jungs brauchen ja auch Hände zum
Zupacken. Vor allem Tim. Jedenfalls kostete die Nagelpflege viel Mühe — mit
farblosem Lack.
Jetzt, dachte sie, habe ich neun
gepflegte Krallen — und die zehnte sieht unmöglich aus. Wenn ich wenigstens dem
Horror-Mönch das Gesicht zerkratzt hätte! Durch seine blöde Maske!
Sie setzte sich aufs Bett. Sie hatte
keine Ahnung, wie spät es war. Zum Schwimmtraining nahm sie ihre Armbanduhr
niemals mit. Außerdem hätte sie ihr nichts genützt in der Dunkelheit.
Fröstelnd kroch sie unter die Decken.
Sie hatte Hunger, sogar Durst. Aber das ließ sich aushalten. Schlimm war die
Ungewißheit. Was hatten diese komischen Typen mit ihr vor?
Eine Lösegelderpressung?
Himmel, dachte sie, da haben sie sich das
falsche Opfer gesucht. Oder bilden die sich ein, ein Kommissar sei ein Krösus (reicher
Mann )? Und was Mammi in ihrem Lebensmittelgeschäft verdient, ist noch
weniger der Rede wert.
Wie kam sie hier raus?
Ein Fenster ist da, überlegte sie. Also
bin ich nicht zehn Stockwerke unter der Erde, sondern höchstens in einem
Kellerraum, dessen Fenster ins Freie weist. So! Die Bretter mögen dick sein.
Aber meine Stimme paßt durch. So! Also schreie ich. Irgendwer wird mich schon
hören.
Sie tappte zum Fenster, holte tief Luft
und legte den Kopf zurück.
„Haaaaalllooooo! „
Nein, dachte sie, ganz falsch!
„Hiiiiilllfeeeee!“
Sie schrie mit aller Kraft. Zwischen
den nackten Wänden tönte es besonders laut. Fast hätte sie sich die Ohren
zugehalten. Nach dem dritten Hilferuf mußte sie husten.
Dann lauschte sie hinaus. Aber nichts
änderte sich an der Weltraumstille. In was für einem Haus befand sich dieser
Keller? Wo stand es? Sie hörte kein Auto, keine Schritte, keine Stimmen, keinen
Großstadtlärm — und mag er auch noch so abgeflaut sein zur nächtlichen Stunde.
Stand das Haus außerhalb der Stadt und ganz einsam?
Sie schrie noch zweimal.
Als sie sich abwandte, um zum Bett
zurückzukehren, hörte sie die Schläge einer Kirchturmuhr — in weiter, weiter
Ferne.
Wieder hielt sie den Atem an. Sie
zählte die Schläge.
... acht... neun... zehn...
Also war es zehn Uhr abends. Vor zwei
Stunden hatten die beiden sie betäubt.
Und dann, dachte Gaby, sind sie viele
Kilometer gefahren. Bis hierher! Bis in die einsamste Einsamkeit. Ich kann
schreien, soviel ich will — niemand wird mich hören.
8. Fast ein Cowboy
Es war noch kälter geworden, als die
drei auf die Straße traten. Tim sah in beide Richtungen. Niemand ging spazieren
oder gassi mit seinem Hund. Die Beleuchtung in den Schaufenstern brannte
vergeblich.
„Ist Ihr Kofferraum offen, Herr
Glockner?“
„Nein. Weshalb fragst du?“
Karl grinste. Er ahnte, was Tim meinte.
Die Tretmühlen wollte der Anführer der TKKG-Bande umladen — von einem
Kofferraum in den andern. Auch Gabys Vater hatte das erraten. Aber er stellte
sich ahnungslos und hob die Brauen, als er dann den Grund erfuhr.
„Ich nehme nicht an, daß ich euch nach
Hause fahren soll. Also wollt ihr mich begleiten. Ich meine, es wird Zeit für
euch, nun endlich an der Matratze zu horchen.“
„Tun Sie uns das nicht an!“
protestierte (Einspruch erheben) Tim. „Es wäre ein Tiefschlag für unsere
Nerven.“
„Unvorstellbar“, nickte Karl.
„Vielleicht ist Theo Lambster eine heiße Spur. Wir können uns doch nicht in der
Schlafkoje einrollen, Herr Glockner, während über Gabys Schicksal die
Ungewißheit schwebt.“
„Also gut“, seufzte Glockner. „Aber
haltet euch zurück. Bei aller Tüchtigkeit, die ihr mal wieder an den Tag legt —
als meine Kollegen kann ich euch beim besten Willen nicht ausgeben. Wir haben
zwar Personalmangel, aber euren Jahrgang nehmen wir trotzdem noch nicht.“
Nachdem die Drahtesel den Kofferraum
gewechselt hatten, rollte Glockners BMW in die Papageiengarten-Straße, wo
Eisnebel die Leuchtreklame des Kinos verhüllte. Frostige Schwaden hingen auch
über den Gärten, und die Luft roch verdächtig nach Smog.
Entlang der Straße parkten Fahrzeuge,
vor dem CAPITOL zwei Dutzend Feuerstühle. Der Eingang war offen. An der Kasse
saß niemand mehr. Die Anfangszeiten? Um 22.30 Uhr hatte die Spätvorstellung
begonnen. Ein blutiger Western wurde gezeigt. Auf den Aushangfotos fanden
Gemetzel statt.
Noch während sich die drei umsahen, kam
eine Platzanweiserin aus dem Saal.
Glockner wies sich aus. „Ich will zu
Herrn Lambster. Hat er
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