Gefangen in der Schreckenskammer
die
glitzernden Augen.
Mal langsam! So was von Haß war ihm
noch nie begegnet.
Obermeiers Stimme schien nicht aus
seinem Mund zu kommen. Sie zischte.
„Dasssss wirst du büßen! Büßßßßßen!
Du... Nein, nicht du! Du nur indirekt! Büßen wird es...“
Er verstummte. Sein Blick wurde flach.
Er stützte eine Hand in die Milch und stand auf. Langsam.
„Wenn du deine Wut an Willi ausläßt“, sagte
Tim, „setze ich dich mit dem Hintern in Salzsäure. Du hast mich absichtlich
gerempelt, du blasierte (überhebliche) Null. Den Dreck hier machst du
weg. Und vergiß nicht, die Scherben aufzulesen.“
Er ging an ihm vorbei zu seiner 9b,
aber er spürte Obermeiers Blick in seinem Rücken. Und wie!
Mit dem Blick, dachte er, macht er mir
den ganzen Sweatshirt (Sportpullover) kaputt. Dieser Haß! Der tickt ja
nicht richtig. Wer so tickt, muß zu Tickel. Da kann er seinen Gemütsmüll
abladen, der Vertrauensschüler.
Die sechste Stunde endete. Endlich.
Tim stocherte im Essen herum und war
der erste, der aufstand. Klößchen folgte ihm mit prallgefülltem Mund.
Sie holten ihre Drahtesel und fuhren
zur Stadt. Auf dem Weg ins Altstadtviertel lasen sie Karl auf.
Frau Glockners Lebensmittelgeschäft war
zwar geöffnet, aber nicht die Inhaberin bediente die Kunden, sondern eine
Aushilfe.
Als die Jungs ihre Räder abstellten,
sah Tim durch die Schaufensterscheibe. Die Aushilfe — das war Margot Glockners
Freundin, eine nette junge Frau. Giesela Liebig hatte bis vor kurzem in einem
Kaufhaus gearbeitet, aber im Zuge der Personaleinsparung ihren Job verloren.
Margot beschäftigte sie, so oft es ging. Leider trug der winzige Laden keine
ständige Angestellte. Gieselas Miene war ernst. Sie bemerkte Tim und hob
winkend die Hand, lächelte aber nicht. Also wußte sie Bescheid.
Selbst Oskar hatte einen Teil seiner
Fröhlichkeit eingebüßt. Er vermißte sein junges Frauchen, begrüßte aber die
Jungs wie immer. Seinem besonderen Freund Tim wäre er fast auf die Schulter
gesprungen.
Der Kommissar ließ sie ein. Sein
Gesicht war grau.
Margot Glockner hatte gerötete Augen.
Sie brachte kein Wort hervor, legte die Arme um die Jungs und begann zu weinen.
Klößchen schluckte immer wieder, obwohl
er ausnahmsweise mal nichts im Mund hatte. Karl polierte seine beschlagene
Brille. Tim meinte, seine Zähne würden abbrechen, so hart schlossen sich die
Kiefer.
„Wir müssen“, sagte er blechern, „noch
mal darüber nachdenken — darüber, ob es irgendwen gibt, der fähig ist, ein so
entzückendes Mädchen wie Gaby zu hassen. Es ist eigentlich unmöglich. Aber...“
Er hielt inne. Seltsam! Haß? Das Wort
löste Unruhe in ihm aus.
Woran erinnert mich das? überlegte er.
17. Göttin des tödlichen Giftes
Gaby war steifgefroren — trotz ihrer Winterkleidung.
Sie hatte geweint und jetzt keine Tränen mehr.
Nichts in ihrem dunklen Verlies änderte
sich. Aber viel Zeit war vergangen.
Erschöpfung hatte sie irgendwann
übermannt. Sie war eingeschlafen. Jetzt erwachte sie zum xtenmal. Sie hatte
Durst. Ein Königreich für einen Becher Tee! Den Hunger konnte sie aushalten.
Aber ihr Magen rumpelte.
Unter dem Deckenberg wühlte sie sich
hervor.
Sie rieb sich die Augen und entdeckte —
den Lichtschimmer.
Tageslicht! Ohne Zweifel.
Zwischen den Brettern, mit denen das
Gitterfenster vernagelt war, blieb ein Spalt. Nicht breiter als ein
Messerrücken. Trotzdem!
Sie lief zum Fenster, ertastete das
Gitter und zog sich etwas hinauf.
Schien draußen die Sonne?
Um das festzustellen, reichte der Spalt
nicht.
Dann, dachte sie, hat man bis jetzt
vergeblich nach mir gesucht. Während der ganzen Nacht! Arme Mami! Armer Papi!
Bestimmt sind sie ganz geschafft vor Sorge.
Sie horchte hinaus. Was war jetzt zu
hören?
Nichts. Stille. Dann... ein dumpfer
Fall. Aber das war nur Schnee, der von benadelten Zweigen rutschte. Oder eine
Dachlawine.
Sie wandte sich ab.
In dem Moment hörte sie den Wagen. Ein
mittelkräftiger Motor schnaufte herum. Ja, hierher! Jetzt hielt der Wagen.
Der ihres Vaters war das nicht. Den Motor
des BMW kannte sie genau. Auch die Maschinen der Streifenwagen klangen anders.
Das wußte sie, obwohl sie sich für Autos kein bißchen interessierte.
Ihr Herz begann zu hämmern.
Wer kam da? Retter? Oder die
Horror-Mönche?
Sie tastete sich zur Tür und legte das
Ohr ans Stahlblech.
Geräusche waren im Haus — über ihr.
Eine Tür wurde geöffnet. Angeln knarrten. Jetzt polterten Schritte. Sie kamen
die Treppe herab.
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