Gefangen in der Schreckenskammer
Kamen zur Tür.
Gaby wich zurück. Die Tür wurde
aufgeschlossen. Auch sie knarrte, als sie sich langsam öffnete — in den Raum
herein.
Das Licht einer altmodischen
Stallaterne zuckte über die Wände.
Einer der Horror-Mönche hielt sie in
Kopfhöhe. Der Kellergang hinter den beiden war dunkel.
Sie trugen Umhänge, knöchellang. Unter
einer Kapuze grinste der Totenschädel. Der zweite versteckte sich hinter einer
Frankenstein-Maske.
Gaby zitterte. Es waren Masken. Sie
wußte es. Aber die Wirkung war grauenvoll.
Beide waren groß. Reglos standen sie
auf der Schwelle. Horror-Masken starrten Gaby an. Es war wie in einem
Gespensterfilm.
Ich muß was sagen, dachte sie
fieberhaft. Damit sie nicht denken, daß ich das ernst nehme. Aber was?
„Ist immer noch Fasching?“ fragte sie
mit piepsiger Stimme.
Sie erhielt keine Antwort. Beide kamen
herein.
Frankenstein stieß die Tür hinter sich
zu.
Der Totenschädel hängte die Laterne an
einen Haken in der Wand.
Frankenstein trug eine Sporttasche, die
weder zur Kostümierung noch zur Stallaterne paßte. Aber das nahmen sie in Kauf.
In der Tasche klirrte Metall.
„Eine schwere Prüfung steht dir bevor,
Gabriele Glockner.“ Frankensteins Stimme klang dumpf, war offensichtlich
verstellt. „Das gehört zu unserem Ritual (festgelegte Ordnung). Wenn du
die Prüfung nicht bestehst, kommst du hier nie wieder raus. Unsere
Schreckenskammer wird dann dein Grab.“
„Das... das können Sie nicht tun“, rief
sie. „Was wollen Sie denn von mir? Was habe ich Ihnen getan? Ihr Benehmen ist
strafbar.“
„Strafbar? Daß ich nicht lache! Wir
leben nach unseren eigenen Gesetzen. Nur die haben für uns Gültigkeit. Es sind
schreckliche Gesetze. Alle hier in der Stadt werden sie spüren. Aber du bist
die erste.“
„Auf die Ehre pfeife ich. Ich will
raus. Machen Sie sich nicht unglücklich. Mein Vater ist Kriminalkommissar. Ihm
können Sie beide nicht entgehen.“
Hohles Lachen antwortete ihr. Auch der
Totenschädel amüsierte sich.
Frankenstein öffnete die Sporttasche.
Vorsichtig griff er hinein.
Gaby erkannte nicht sofort, was er
hervorholte. Dann sah sie, daß es sich um eine Plastikschachtel handelte. Sie
war durchsichtig und etwa halb so groß wie ein Schuhkarton. Irgendwas Dunkles
lag darin.
Mit ausgestreckten Händen kam
Frankenstein auf sie zu.
Er trug Handschuhe.
Gaby bemerkte das nur am Rande. Ihr entsetzter
Blick richtete sich auf die Vogelspinne, die in der Schachtel saß.
Sie war riesengroß, schwarz behaart,
widerlich.
„Die Göttin des tödlichen Gifts.“
Frankenstein verneigte sich über der Schachtel. „Eine Vogelspinne. Sie ist
deine erste Prüfungsaufgabe, Gabriele Glockner. Ich nehme den Deckel ab. Du
wirst hineingreifen und die Spinne berühren. Mit den Fingerspitzen. Das genügt.
Aber...“
„Nein!“ schrie Gaby. „Das mache ich
nicht. Nie! Nie! Das kann ich nicht. Ich liebe Tiere. Hunde, Katzen, Igel, Pferde,
Hamster, Kanaries, Meerschweinchen, Zierfische — alles. Aber keine
Vogelspinne.“
„Du mußt!“
Sie wich zurück, bis ihre Kniekehlen
ans Bett stießen.
Frankenstein folgte ihr. Jetzt nahm er
den Deckel von der Schachtel. Langsam, sehr langsam streckte er den Arm aus.
Gleich, dachte Gaby, werde ich
ohnmächtig. Aber dann falle ich aufs Bett.
Ihre Beine zitterten. Kälte kroch über
ihre Haut.
„Bitte, nicht!“ hörte sie sich sagen.
„Wenn ich die anfasse, bleibt mir das Herz stehen.“
Nur etwa 30 Zentimeter trennten ihr
Gesicht von der Schachtel.
Sie bemühte sich, die Spinne nicht
anzusehen. Bestimmt konnte die springen. Wenn die jetzt raussprang und ihr ins
Gesicht...
Langsam zog Frankenstein die Hand
zurück. Der Deckel verschloß die Schachtel.
„Umberto“, sagte er dumpf. „Sie hat die
erste Aufgabe nicht bestanden. Aber wir haben ja noch mehr.“
„Ich bemerkte es, Severin!“ antwortete
der Totenschädel.
„Ihr scheint unser Ritual nicht zu
gefallen. Dabei war das nur der Anfang. Der wirkliche Schrecken kommt erst
noch.“
Severin Frankenstein stellte die
Schachtel neben seine Sporttasche. Dann starrten beide Gaby an.
Ihr schien, als funkelten böse Augen in
den Sehschlitzen der Masken.
„Jetzt weiß ich’s“, sagte sie. „Ihr
seid Sadisten (Sadist = jemand, der Freude daran hat, andere zu quälen ).
Ich bin euer Opfer. Ihr wollt mich quälen. Euer Verhalten ist krankhaft. Ihr
tickt nicht richtig. Sie, Severin, sind genau so meschugge wie Umberto. Aber
ich weiß einen Psychologen. Wenn ihr
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