Gefangene deiner Dunkelheit
waren auf einem privaten Flugplatz ausgestiegen und MaryAnn mit Riordan und Juliette zu einer Insel weitergeflogen.
Sie saß in der Falle. MaryAnn holte tief Luft und ließ sie langsam wieder aus. Doch sie würde nicht hier sterben. Sie war eine Kämpferin, und irgendwie würde es ihr gelingen, Destiny und Nicolae zu informieren, dass dieser Zweig der Familie Verräter waren. Furcht kroch wie eine kalte Hand über ihren Rücken, als ihr bewusst wurde, was sie zu tun hatte. In den Dschungel fliehen, den Weg zur Startbahn finden und den Piloten irgendwie dazu überreden, sie zu einem regulären Flughafen zu bringen, von wo aus sie nach Hause fliegen konnte. Schnell blickte sie sich in dem großen Badezimmer um und überlegte, was sie mitnehmen konnte.
Nichts. Da war nichts. Sie würde improvisieren müssen. Mary-Ann trat ans Fenster und sah hinaus. Die Anlage war ziemlich verwildert, da der Regenwald auf das Haus zukroch wie ein heimtückischer Invasor und seine Ranken und sein Buschwerk sich bis in den Garten hinein erstreckten. Es würde nur ein kurzer Sprint bis in den Dschungel sein. Sie legte die Hände um den Fensterrahmen und versuchte, ihn anzuheben.
MaryAnn.
Sie schrie vor Schreck auf und presste eine Hand auf ihr wild pochendes Herz, als sie herumfuhr. Dampf strömte unter der Tür hindurch und durch das kleine Schlüsselloch herein. Dann materialisierten sich Juliette und Riordan, er am Fenster, sie neben der Tür.
»Was glaubst du, wo du hingehst?«, fuhr Riordan sie mit zornig funkelnden Augen an. »Du würdest innerhalb von fünf Minuten nach Betreten des Waldes getötet werden! Wir sind für deine Sicherheit verantwortlich.«
Seine Stimme klang merkwürdig langsam in ihren Ohren, wie ein tiefes Knurren, das sie an Dämonen erinnerte, die sie in Filmen gesehen hatte, wenn der Ton zu langsam abgespielt wurde. Furcht ergriff sie, Wut stieg in ihr auf, und absolute Konfusion beherrschte sie. Die Psychologin in ihr versuchte verzweifelt, einen Sinn in all den auf sie einstürmenden Emotionen zu erkennen.
»MaryAnn«, sagte Juliette freundlich. »Ich weiß, dass du verwirrt bist von all dem, was du fühlst, aber wir glauben, eine Erklärung dafür zu haben. Wir vermuten, dass Manolito dich auf die bei unseren Leuten übliche Weise an ihn gebunden hat. Riordan hat versucht, ihn über ihren gedanklichen Kontaktweg zu erreichen, doch Manolito verwehrt ihm den Zugang, weil er genau wie du befürchtet, dass er ein Vampir sein könnte. Er behauptet, eine Gefährtin zu haben, und hier bist du, verzweifelt und ganz aufgelöst vor Trauer über einen Mann, den du, wie du sagst, nicht einmal richtig kennengelernt hast. Ergibt das irgendeinen Sinn für dich? Irgendetwas geht hier vor, und dir und uns zuliebe müssen wir herausfinden, was es ist.«
Riordan rieb sich die Schläfen, als schmerzten sie. Seine dunklen Augen waren voller Sorge. »Ich fürchte um die Sicherheit und um das Leben meines Bruders. Er scheint verwirrt zu sein, und da draußen im Dschungel darf man nicht verwirrt sein. Wir haben mächtige Feinde. Er befindet sich in großer Gefahr, und er vertraut niemand anderem als seiner Gefährtin. Falls du also diese Frau sein solltest, bist du die Einzige, die ihn retten kann.«
Er starrte sie mit den unbewegten Augen eines wilden Tieres an, wachsam, listig und zutiefst beängstigend. MaryAnn erschauderte und wich vor ihm zurück, bis sie mit dem Rücken an der Fensterbank stand. Ein Teil von ihr dachte, sie wären verrückt geworden und versuchten ganz bewusst, sie noch mehr zu verunsichern, doch die Psychologin in ihr war wie immer auf der Suche nach Informationen und bemühte sich, sich auf all das einen Reim zu machen. Von Destiny hatte sie genug über Gefährtinnen des Lebens erfahren. Und auch sie war schon eine ganze Weile bei den Karpati anern, und selbst wenn sie die Verbindung von Gefährten des Lebens nicht verstand, so wusste sie doch, dass sie stark und unzerbrechlich war.
Juliette streckte ihr die Hand hin. »Komm wieder mit in das andere Zimmer und lass uns versuchen, Klarheit zu gewinnen. Du erinnerst dich also nicht, mit Manolito allein gewesen zu sein?«
So etwas würde sie doch nicht vergessen, oder? Sie hatte geträumt, dass er zu ihr gekommen war. Ein Tagtraum, den sie einmal gehabt hatte – aber eben nur ein Traum. Manolito hatte sie in seine starken Arme genommen, und sein Mund war über ihre Haut zu der kleinen Schwellung über ihrer Brust hinabgeglitten. Die Stelle pochte und
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