Gefangene deiner Dunkelheit
seit so vielen Jahren die Heimat der Brüder De La Cruz war, waren sie immer wieder in Kontakt mit diesen großen Raubkatzen gekommen.
Jaguare waren außerordentlich starke Tiere, mit stämmigen, muskulösen Körpern und breiten Köpfen. Lautlos und nahezu unsichtbar, führten sie ein einsames Leben in einer Schattenwelt zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen. Mit ihrer unglaublich guten Nachtsicht, ihren einziehbaren, tödlichen Krallen, messerscharfen Fängen und geschmeidigen Körpern, die wie geschaffen dazu waren, sich unbemerkt an ihre Opfer anzuschleichen, beherrschten sie den Dschungel. Aber sie bekämpften sich nur äußerst ungern gegenseitig, da die allgegenwärtige Feuchtigkeit eine ideale Brutstätte für Infektionen war.
Manolitos erster Gedanke war, das Tier aus reinem Selbsterhaltungstrieb zu töten. Er war geschwächt vom Hunger und verlor bereits kostbares Blut. Das Klügste und Sicherste wäre, den Kampf schnell zu beenden. Sein Respekt vor dem stärksten Raubtier des Regenwaldes ließ ihn jedoch zögern. Er und seine Brüder hatten stets einträchtig mit den Geschöpfen des Dschungels zusammengelebt, und deshalb wollte er dieses Tier nicht töten, solange es sich verhindern ließ.
Er knurrte warnend, um dem anderen männlichen Jaguar zu signalisieren, sich zurückzuziehen. Und als er die Witterung in der Luft aufnahm, war auch kein Geruch eines nahen Weibchens wahrzunehmen, das für die Raubkatze ein Grund zum Weiterkämpfen sein könnte.
Der Jaguar umkreiste Manolitos dicht behaarten Körper, fletschte die Zähne und fauchte herausfordernd. In der Hoffnung, das Tier überwältigen zu können, sprang Manolito. Der Jaguar warf sich ihm entgegen und hieb mit seinen messerscharfen Krallen nach ihm, während Manolito versuchte, in den Geist des Tieres einzudringen. Wieder brach ein ohrenbetäubender Lärm im Dschungel aus, als die beiden Katzen aufeinandertrafen.
Vögel hoch oben in den Bäumen erhoben sich kreischend in die Luft. Affen schrien warnend und ließen Zweige und Blätter auf die beiden Jaguare regnen, die sich, ineinander verkrallt, auf dem Boden herumrollten. Äste zerbrachen unter ihren schweren Körpern und hüllten sie in eine Wolke von herumfliegendem Geäst und losem Blattwerk ein. Manolito drängte sich an der wilden Raserei im Kopf der Raubkatze vorbei und versuchte, den Geist des Tieres zu erreichen, während es immer wieder seine Fänge in ihn schlug.
Jaguare besaßen ein äußerst biegsames Rückgrat, das es ihnen ermöglichte, sich blitzschnell zu drehen und zu wenden, mit ihren Beinen Seitenhiebe auszuteilen, ja sogar mitten in der Luft die Richtung zu wechseln. Und die dicken Muskelstränge überall an ihrem Körper verliehen ihnen enorme Kraft. Manolito steckte einen weiteren bösen Prankenhieb an seiner Seite ein, als er sich darauf zu konzentrieren versuchte, die Katze zu beruhigen.
Er verstärkte seine Bemühungen, durchbrach die Wand aus Wut und entdeckte einen Mann. Das hier war kein Jaguar, sondern einer der seltenen, einsiedlerischen Jaguarmenschen, die sich immer noch im Regenwald ansiedelten. Die Karpatianer und die Jaguarmenschen hatten stets harmonisch nebeneinander existiert, indem sie einander aus dem Weg gegangen waren, doch dieser hier hatte mit voller Absicht angegriffen.
Manolito nahm wieder seine menschliche Gestalt an, diesmal jedoch aus halbwegs sicherer Distanz. Katzen konnten mit einem einzigen Sprung erstaunliche Entfernungen überbrücken, und die Jaguarmenschen verfügten über eine Geschicklichkeit und Kraft, die die eines normalen Jaguars sogar noch um ein Vielfaches übertraf. Schwer atmend stand Manolito da und achtete auf irgendwelche Anzeichen von Aggression, als die große Katze ihm mit zitternden Flanken, aber noch immer fauchend gegenübertrat.
»Ich weiß, dass du ein Mann bist. Du wirst hier sterben, wenn du weitermachst. Du kannst dir nicht den Respekt zunutze machen, den ich für den Jaguar empfinde, um mich zu besiegen. Warum hast du unser stillschweigendes Abkommen gebrochen?« Er verlieh seiner Stimme ganz bewusst einen weichen, beruhigenden Klang, um die aufgeregte Katze zu besänftigen.
Der Jaguar bleckte die Zähne, wich aber nicht zurück, sondern hielt den Blick auf ihn geheftet, als wartete er nur auf einen Moment der Schwäche, der ihm einen Vorteil verschaffen würde. Und Manolito war schwach. Er hielt den Schmerz seiner Verletzungen in Schach und ignorierte den gnadenlos an ihm nagenden Hunger, der ihn nahezu
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