Gefangene der Leidenschaft
Reitknecht. Er nahm das Pferd, mit dem eigentlich ich ausreiten wollte. Aus einem unerklärlichen Grund löste sich der Sattelriemen, und der arme Kerl ist schwer gestürzt. Er hat sich böse Verletzungen zugezogen.“
Morgan runzelte die Stirn.
„Lord Windham meint, der Mann hätte uns etwas vorgemacht, weil er arbeitsscheu sei.“
„Windham ist ein Narr“, empörte Morgan sich. „Was ist sonst noch geschehen?“
„Die königliche Kutsche. Während der Fahrt hierher löste sich ein Rad. Gottlob wurde niemand verletzt. Der Kutscher behauptet, dass es ein Unfall war. Mein Diener jedoch beteuerte, dass die Kutsche vor unserer Reise zum Richmond Palace gründlich inspiziert worden sei.“
„Großer Gott! Ist noch mehr vorgefallen?“
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Nichts. Allerdings kursieren ... Gerüchte.“
„Und wer streut die Gerüchte aus, Madam? Könnt Ihr mir Namen nennen?“
„Nein.“ Morgans Aufregung übertrug sich auf Elizabeth. „Die Namen kenne ich nicht. Ein getuscheltes Wort hier, ein rätselhafter Hinweis dort. Weiter nichts.“
Die Hände auf die Knie gestützt, beugte Morgan sich vor. „Getuschel. Hinweise. Das ist nicht genug, um überall Feinde zu wittern. Ihr habt mir nicht alles erzählt. Ich sehe Euch an, dass Ihr mehr wisst!“
Die Königin erhob sich und trat ans Fenster. Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte sie hinaus. „Ich kann es nicht vergessen, Morgan!“
„Was könnt Ihr nicht vergessen?“
„Das Gefühl, vom Tod bedroht zu sein.“ Sie erschauerte. „Schon in frühester Kindheit habe ich erfahren, dass selbst jene, die mir am nächsten hätten sein müssen, meinen Tod wünschen könnten. Mein eigener Vater erklärte mich zum Bastard, bevor er mich widerstrebend in die Thronfolge einsetzte. Meine Schwester Mary verbannte mich in den Tower und hätte ohne zu zögern meine Hinrichtung befohlen, wenn sie einen stichhaltigen Beweis gegen mich gehabt hätte!“ Ihre Stimme wurde leiser. „Und dann das schreckliche Ende meiner Mutter. Ihre
Hinrichtung wird mich ewig verfolgen.“
„Wir leben in einer grausamen Zeit.“
„Ja. Das ist wahr. Mein Leben lang war ich von Gefahr umgeben. Und nun beginnt es wieder zu rumoren. Irgendjemand plant einen Anschlag auf mein Leben. Ich spüre es hier!“ Sie legte die Hand auf ihr Herz und wandte sich zu Morgan um.
In dem Licht, das durch das hohe Fenster hereinströmte, sah er statt der Königin nur die Frau vor sich, die um ihr Leben bangte. In ihren Augen stand Angst. Das Bild rührte ihn tief an, und er sprang auf und zog Elizabeth in die Arme.
„Ich habe keine Angst, Morgan“, murmelte sie mit erstickter Stimme, und ihre tapfere Behauptung weckte in ihm Mitgefühl und Zärtlichkeit. Er zog sie fest an sich und drückte einen Kuss auf ihre Schläfe. Es gab nur wenige im Königreich, die sich solche Freiheiten mit ihrer Königin erlauben durften. Aber Morgan und Elizabeth waren seit ihrer Kindheit Freunde, und ihre Freundschaft hatte schwere und gute Zeiten überdauert.
„Das weiß ich, Madam. Jedermann in Eurem Reich weiß, dass Ihr keine Furcht kennt!“
Er hielt sie fest, bis sie ruhiger wurde. Als sie sich wieder gefasst hatte, blickte sie zu ihm auf und berührte leicht seine Wange. „Ich hätte Euch hier so sehr gebraucht, Morgan. Ihr dürft England nicht wieder verlassen!“
Er legte seine Hand auf die ihre. „Ich werde Euch nicht verlassen, Majestät. Nicht eher, als bis ich diesen Gerüchten auf den Grund gegangen bin. Auch diese Unfälle werde ich untersuchen. Aber Ihr müsst mir versprechen, den Palast so lange nicht zu verlassen, bis ich die Wahrheit ergründet habe!“
„Wie lange wird das dauern? Lange kann ich mich nicht in Richmond aufhalten.“
„Wenn Ihr reisen müsst, werde ich Euch begleiten!“
Sie nickte erleichtert, und er sah, wie ihre Anspannung langsam nachließ.
Ein Geräusch hinten im Raum ließ sie beide herumfahren. Brenna warf die Decken zurück und blickte verstört um sich. Hatte sie geträumt oder die Unterhaltung wirklich mit angehört? Die Worte wirbelten in ihrem Kopf herum. Unfälle, Gerüchte, Misstrauen. Königin Elizabeth in Gefahr ...
Brenna sah zu Madeline d’Arbeville hinüber, die in ihrem Stuhl eingeschlafen war. Von ihr würde sie nicht erfahren, ob sie dies alles nur geträumt hatte.
Sie sah Elizabeth auf sich zukommen und musterte aufmerksam ihr Gesicht. So kühl und beherrscht sah niemand aus, dessen Leben in Gefahr war. Ein Blick auf Morgans
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