Gefangene der Leidenschaft
unbewegte Miene überzeugte Brenna, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Diese beiden hatten zweifellos nichts Wichtigeres diskutiert als den ewigen englischen Nebel.
„Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen, Brenna MacAlpin. Wie geht es Euch?“
„Es geht mir gut, Majestät.“- Brenna setzte sich auf und bezwang ihr Schwindelgefühl. Es fiel ihr schwer, sich aufrecht zu halten.
Morgan sah ihre plötzliche Blässe. Er war sofort bei ihr und stützte sie. „Nicht so gut, wie Ihr vorgebt“, sagte er leise. „Vielleicht sollten wir ein oder zwei Tage hier in Richmond bleiben, bevor wir zu meinem Landsitz aufbrechen!“
Brenna starrte auf seine Hände, und sie fragte sich, ob er ihren Abscheu spürte. Was immer in ihm vorgehen mochte, er zeigte es mit keiner Regung.
„Das ist eine gute Idee“, sagte die Königin erfreut. Sie klatschte in die Hände, und augenblicklich erschien eine ihrer Kammerfrauen.
Madeline schreckte hoch und blickte verwirrt um sich. „Mon Dieu. Ist es möglich, dass ich geschlafen habe?“
„Wundert Euch das, wo Ihr doch die Nächte an den Spieltischen verbringt?“ zog Elizabeth sie lachend auf. „Was sagt Ihr zu der guten Nachricht, Madeline? Morgan hat beschlossen, noch ein oder zwei Tage in Richmond zu bleiben.“
Für Brenna jedenfalls war es eine gute Nachricht. Solange sie nicht mit Morgan allein sein musste, konnte sie sich vor ihm sicher fühlen. Was konnte er ihr im Palast der Königin schon tun? Vielleicht würde es ihr in diesen Tagen sogar gelingen, die Königin umzustimmen. Noch gab sie die Hoffnung nicht auf, in ihre Heimat zurückkehren zu können.
„Lasst die Gästegemächer herrichten!“ befahl die Königin der Hofdame. Sie war wie ausgewechselt. Ein warmes Lächeln ließ ihr Gesicht weicher erscheinen. Ihre Augen leuchteten. „Oh Morgan, es ist so lange her. Zu lange.“
Morgan erwiderte ihr Lächeln. Er freute sich, dass die Königin ihre Sorgen für eine Weile vergaß. „Ja, Madam. Das ist wahr.“
„Wir werden das Wiedersehen mit einem Fest begehen.“ Elizabeth warf einen kritischen Blick auf Brennas Kleidung. „Habt Ihr außer dieser noch andere, vielleicht ein wenig ... elegantere Kleidung dabei?“
„Nein, Majestät.“ Wieder wurde Brenna an ihr klägliches Äußeres erinnert.
„Das macht nichts.“ Die Königin winkte einen Lakaien herbei. „Schickt eine Näherin, damit die Lady an unserem Fest teilnehmen kann.“ Sie wandte sich an Morgan. „Ich denke, Eure Gemächer sind hergerichtet. Und solltet Ihr noch etwas brauchen - meine Diener stehen Euch zur Verfügung.“
Ein Lakai führte Brenna und Morgan über einen langen, weiten Korridor zu ihren Räumen. Eine Gruppe von Morgans Männern folgte in einigem Abstand. Wachen? Brenna konnte nicht glauben, dass Morgan sie sogar in der Residenz der Königin wie eine gemeine Verbrecherin bewachen ließ. Es war ein entwürdigender Gedanke.
Sie wurden in einen großen Raum geführt, der auf die königlichen Gärten hinausging. Durch die offen stehenden Fenster strömte der Duft von Rosen und Geißblatt herein. Gobelins mit historischen Szenen schmückten die Wände. Der Steinboden war mit kunstvoll gewebten Teppichen bedeckt. Um den riesigen Kamin herum standen Stühle und mächtige holzgeschnitzte Sessel.
Brenna stellte erleichtert fest, dass von zwei Seiten des Raums Türen abgingen. Wie sie vermutet hatte, führten sie zu je einem Schlafraum. Sie würde also allein schlafen können. Wenigstens in dieser Hinsicht wurde sie nicht wie eine Gefangene behandelt.
Der Diener zog sich zurück, und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in England waren Brenna und Morgan allein. Um Morgans bohrendem Blick zu entgehen, begann sie in dem Raum umherzuwandern. Sie warf ihren Reiseumhang auf einen Sessel, blieb stehen und betrachtete die Darstellungen auf den Gobelins.
„Wie lange gedenkt Ihr, mich als Eure Gefangene festzuhalten?“ sagte sie, ohne sich umzudrehen.
„Gefangene? Mylady, Ihr seid Gast der Königin!“
Sie hörte seinen sarkastischen Unterton, und alles in ihr krampfte sich zusammen. „Nein. Ich bin eine Gefangene. Trotz der Tatsache, dass ich wie eine Fürstin im königlichen Palast logiere und keine Fesseln trage, bin ich nicht frei.“
„Wollt Ihr lieber in den Kerker geworfen werden, Mylady, bis die Königin einen Ehemann für Euch findet?“
Sie drehte sich um und sah ihm fest ins Gesicht. „Wer sagt, dass ich einen Ehemann will? Ich habe nicht den Wunsch geäußert, mich zu
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