Gefangene der Welten
nach unten und stieß einen leisen und unverkennbar erschrockenen Schrei aus.
„Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?“, raunzte sie. „Was hättet ihr getan, wäre ich einer der Wachposten gewesen?“
Langsam traten Sydney und Jack näher und beobachteten mit Staunen, wie Natalias Hände in einem Spalt im Mauerwerk ruhten und das Gesicht eines Mannes ihnen ruhig entgegenblickte. Sein Blick huschte über ihre beiden Gesichter und Sydney hörte, wie Jack hinter ihr scharf die Luft einsog.
„SIE!“, stieß er ungläubig aus und griff zugleich nach Sydneys Hand. Diese runzelte verwirrt die Stirn, während Natalia sich zu ihnen umdrehte.
„Er ist nicht, wie du denkst.“, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Er ist die einzige Chance, die ihr habt, um hier herauszukommen.“, erklärte sie und ihr Blick huschte unruhig zwischen ihnen hin und her.
„Woher kennt ihr euch?“, schaltete Sydney sich ein und sah ihren Freund an.
„Der Typ wollte mich auf einem Sklavenmarkt verkaufen!“, entgegnete er aufgebracht und deutete auf sein Gesicht. „Er und sein komischer Kumpan haben mich nahezu krankenhausreif geschlagen!“
Natalia beschloss, etwas zu unternehmen.
„Wollt ihr nun fliehen oder nicht?“
Sydney warf einen unsicheren Blick auf Corin, der gelassen durch den Spalt blickte. Dann nickte sie. „Ich kann jetzt nicht umkehren.“, flüsterte sie und warf einen letzten Blick auf die Burg. Entschlossen trat sie an Natalia vorbei und zwängte sich durch die schmale Öffnung.
Einen leisen Fluch ausstoßend, folgte Jack ihr.
Auf der anderen Seite der Mauer half Corin Sydney auf die Beine und stellte sich vor: „Es ist mir eine Ehre, Madame, Euch kennenzulernen.“ Seine Zähne schimmerten im fahlen Mondlicht und Sydney erwiderte das Lächeln. „Mein Name ist Corin McFallen, Madame. Und dies hier“, er deutete auf einen weiteren Mann hinter ihr, „ist mein treuer Gefährte Pete.“
Sydney lächelte verkrampft, als ihr der Gestank seines ungewaschenen Körpers in die Nase stieg. Corin wandte sich Natalia zu.
„Du hast dir Zeit gelassen.“
Unwirsch fegte Natalia die Feststellung mit einer Handbewegung beiseite. „Es ging nicht schneller.“ Plötzlich grinste sie. „Dafür habe ich nicht nur Jack zur Flucht verholfen, sondern auch noch der Auserwählten persönlich.“
Im schwachen Licht des Mondes konnte Sydney nicht eindeutig erkennen, wie Corin reagierte, doch sein Blick heftete sich auf sie und ein unangenehmes Gefühl kroch ihr den Nacken herauf. Pete stieß ein leises Kichern aus, doch Corin ermahnte ihn scharf, leise zu sein, damit sie nicht entdeckt würden.
„Es wird Zeit, dass wir von hier wegkommen.“, sagte er und packte Sydneys Hand. Erschrocken zuckte sie zusammen. „Keine Sorge, Madame. Ihr seid von nun an in sicheren Händen.“
Er trat näher an sie heran und schlang ihr den Arm um die Taille, um sie, dicht an sich gepresst, mit sich führen zu können. „Vorsicht, der Boden ist recht uneben.“, murmelte er dicht an ihrem Ohr und Sydney fuhr ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Am liebsten hätte sie seine Hände mit einem Mal abgeschüttelt, doch er hatte recht: Der Boden war holprig und kleinere Steine pflasterten ihren Weg durch die Felder. Als sie sich umsah, erblickte sie Natalia hinter sich, dicht gefolgt von Pete, der Jack am Arm mit sich zerrte.
Unbehelligt erreichten sie den Waldrand. Corin warf einen langen Blick zurück zur Burg, die still hinter ihnen lag. Dann führte er sie tiefer in den Wald hinein – so weit, bis die Bäume zu dicht standen, als dass man noch etwas von der Burg oder den umliegenden Feldern hätte erkennen können. Er löste den Griff um Sydneys Taille, hielt sie jedoch weiter am Arm fest, als er zu ihnen sagte: „Wir müssen weiter, bevor die Wachen merken, was los ist, und die Hölle um uns herum los bricht.“
32.
„Sir Ramsey! Sir Ramsey!“
Der junge Maxwell konnte kaum schnell genug in die große Halle hineinlaufen. Wild winkend versuchte der Junge Damians Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dieser stand, vertieft in einem Gespräch, zwischen Lan’tash und zwei Wachmännern. Atemlos blieb Maxwell vor ihm stehen und Damian blickte den blonden Schopf an. „Was hast du zu berichten, Junge?“, fragte er; angespannte Dringlichkeit lag in seiner Stimme.
Keuchend und mit hochrotem Kopf begann Maxwell zu sagen, was er wusste: „Die junge Dienstmagd, die ich beobachten sollte, Herr.“ Nach Luft schnappend, sah er Damian an.
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