Gefangene der Welten
für den sanften Schimmer dankbar, den das Feuer verbreitete.
Damian wickelte einen kleineren Teil des Päckchens aus und kam zu ihr. Sein Blick streifte ihren, als er anmerkte: „Ihr seid hungrig. Hier, nehmt das und esst.“ Er löste ihre Fesseln und hielt ihr ein Stück des Brotes und etwas von dem Fleisch hin. Dankbar griff Sydney danach. Damian nahm für sich selbst etwas und sagte: „Kommt lieber näher an das Feuer. Die Nacht wird kühl werden.“ Sydney zögerte und unterdrückte ein Stöhnen, als sich ihre geschundenen Muskeln dehnten.
Damian beobachtete, wie Sydney näher herantrat und ihm gegenüber Platz nahm. Sie verschränkte nervös ihre Arme und sah zu Schara’k herüber. „Denkt lieber nicht an eine Flucht. Schara’k würde Euch nicht gehorchen und ich würde es bemerken, ehe Ihr den Feuerkreis verlassen hättet.“
Sydney blitzte ihn empört an. „Wie kommen Sie auf die Idee, ich würde meine Gedanken einer Flucht widmen?“ – „Nun, das ist offensichtlich.“ Sydney schnaubte. „Jeder hätte Eure Gedanken an Eurer Mimik ablesen können.“ Erbost und gleichzeitig verlegen, weil Damian sie ertappt hatte, antwortete sie ein wenig trotzig: „Sie können Ihre Augen auch nicht überall haben. Irgendwann müssen auch Sie schlafen.“
Plötzlich war der Wald erfüllt von Damians Gelächter. Er lachte sie aus, erkannte Sydney und funkelte ihn verärgert an. Damian lachte und lachte und schien sich nicht beruhigen zu wollen. Sydneys Aussage klang für ihn derart absurd und unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich, dass er sich fragte, wie sie auf solch einen Gedanken gekommen war.
Sydney schwieg und beschränkte sich darauf, ihren Entführer wütend anzustarren. Was war lächerlich an ihrer Annahme? Er musste irgendwann müde sein. Er konnte unmöglich die ganze Zeit wach sein.
Mit einem amüsierten Glitzern in den dunklen Augen sah Damian sie an. „Ihr habt Humor! Seid gewiss, Madame, das ist eine wahrlich lobenswerte Eigenschaft!“ Unsicher, ob er sie zu ärgern versuchte oder ob das sein Ernst war, sparte sie sich einen Kommentar. „Solltet Ihr den Drang verspüren, eine Flucht versuchen zu wollen, bitte ich Euch um eins: Lasst Euch nicht hindern.“ Sein Blick nahm an Intensität zu und seine Stimme senkte sich zu einem dunklen Schnurren, als er seinen Blick langsam über ihren Körper gleiten ließ und hinzufügte: „In dem Fall dürfte es eine interessante Abendgestaltung werden.“ Angesichts dieser anzüglichen Drohungschluckte Sydney. Damian beobachtete derweil fasziniert, wie Sydneys Gesicht eine dunklere Tönung annahm und sie begann, am Saum ihrer Oberbekleidung zu spielen. Sie war sichtlich nervös geworden. Ihr Blick war auf ihn gerichtet, doch ihre Augen hatten sich bei seiner Warnung geweitet, sodass sie nun mehr Ähnlichkeit mit einem verschreckten Kaninchen hatte.
Damian löste die Spannung zwischen ihnen und sagte: „Ihr solltet Euch nun etwas schlafen legen. Ich werde Wache halten und Euch wecken, sobald wir im Morgengrauen weiterreiten.“
Sydney zögerte. Konnte sie ihm vertrauen? Was, wenn nicht? Er hatte sie entführt und sein Verhalten war keineswegs eindeutig zu nennen. Vielmehr ließ er alle Möglichkeiten offen.
Er konnte sie entführt haben, um sie zu ermorden oder um sie zu vergewaltigen und anschließend umzubringen. Andererseits, sollte er ein Lösegeld erpressen wollen, von wem auch immer, musste sie unangetastet bleiben. Und aufgrund seines Verhaltens erschien es Sydney vernünftig, darauf zu bauen, dass er es auf Geld abgesehen hatte. Sein gesamtes Erscheinungsbild untermauerte diese Möglichkeit. Er kam nicht wie ein Lump daher und doch trug er sehr einfache Kleidung und die Tatsache, dass sie zu Pferd unterwegs waren und er sie nicht in irgendeinem Hotelzimmer versteckte, deutete darauf hin, dass der Wald zu seinem Zuhause zählte. Bei dem Gedanken bekam Sydney Mitleid mit ihrem Entführer. Warum hatte er kein Zuhause? Keine Familie? Warum musste er sie entführen und auf diese Weise an Geld kommen? Er konnte arbeiten. Dessen war sie sich sicher. Er war groß und von kräftiger Statur. Den Kopf angefüllt mit ungelösten Fragen, entschied sich Sydney dafür, das Risiko einzugehen. Ihre Muskeln schmerzten und da das Adrenalin in ihrem Körper nun langsam wieder abgebaut wurde, fühlte sie sich müde und erschöpft. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren ausgesprochen aufregend gewesen. Ihr blieb gar keine Zeit, sich erschöpft zu fühlen.
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