Gefangene der Welten
Hände auf den Rückenund führte sie zu einem nahegelegenen Waldabschnitt voller Birken. Selten war ihm ein Weibsbild begegnet, das ihm derart die Nerven raubte und seine Geduld strapazierte. Sicher, er hatte sie überraschend und unfreiwillig entführt, doch wenn sie die Gründe dafür wüsste – davon war er überzeugt! – würde sie dies verstehen und vielleicht sogar Freude empfinden mit der Zeit. Ihm war nämlich keineswegs entgangen, welcher Natur ihre Blicke waren.
Damian war mit seinen zweiunddreißig Jahren kein unerfahrener Schuljunge mehr. Er hatte genug Erfahrungen in fremden Betten gesammelt, um zu wissen, wie er die Blicke einer Frau zu deuten hatte. Seine Erfahrung war es, die ihm in diesem Augenblick Selbstsicherheit mit einer Spur Arroganz verlieh. Nachdem er seine Verlobte an den Stamm einer Birke gebunden hatte, warf er Sydney einen letzten abschätzenden Blick zu, ehe er kehrmachte und lautlos zwischen den Bäumen verschwand.
Als Damian außer Sichtweite war, seufzte Sydney erleichtert und lehnte den Kopf an den tröstlich festen Stamm der Birke.
Und was nun?
Die Tatsache, dass Damian sie inmitten der Wildnis zurückließ, machte sie nicht sonderlich nervös. Zum einen wünschte sie nichts mehr, als dass er einfach nicht wiederkommen würde, damit sie nach Hause zurückkehren konnte. Zum anderen war sie sich sicher, dass sie nicht lange allein bleiben würde. Sie bezweifelte, dass er sein Pferd zurücklassen würde.
Die letzten Stunden hatten nichts in Erfahrung gebracht, was ihr hätte von Nutzen sein können. Die knappen Antworten, die Damian ihr gegeben hatte, waren nicht besonders aufschlussreich gewesen. Wollte er ihr die Frage nach dem Grund ihrer Entführung doch ebenso wenig beantworten, wie die Frage, mit wem sie es zu tun hatte! Selbst die Frage, ob jemand ein Lösegeld von ihrem Vater erpressen wollte, quittierte Damian nur mit einem nichtssagenden Kommentar darüber, dass ihr Vater sicher froh wäre, wenn eine geschwätzige Person wie sie jemand anderen gefunden hätte, der sie ihm abnahm.
Als Damian wiederkam, hatte sich seine Laune eindeutig gebessert. Auf seinem Arm trug er mehrere Zweige, die er in einiger Entfernung zu ihr auf den Boden fallen ließ und ein Lagerfeuer vorbereitete. Er plante doch nicht, die Nacht an diesem Ort zu verbringen?
„Das wird aber eine lange Erholungsphase für das Pferd, wenn Sie jetzt auch noch ein Feuer machen. Finden Sie nicht?“ Damian löste seinen Blick von der Feuerstätte und sah zu ihr herüber. Ein amüsiertes Glitzern lag in seinen Augen und Sydney konnte nicht umhin, seine raue Attraktivität zu bemerken.
„Wir werden hier übernachten müssen. Wir sind nicht sehr weit gekommen und es dämmert bereits. Da ist es besser, wir schaffen eine sichere Umgebung für die Nacht, als dass wir blind weiterreiten oder von Tieren überrascht werden.“ Er funkelte sie herausfordernd an und Sydney erkannte, dass er sie nur auf den Arm nehmen wollte. Sicherlich gab es gar keine Bedrohung durch wilde Tiere in diesem Teil des Waldes und er wollte ihr nur Angst einjagen.
Zweifelnd musterte sie ihren Entführer, ehe sie ihren Blick unsicher über die Bäume schweifen ließ.
„Werde ich die gesamte Nacht an diesem Baum gefesselt sein?“, fragte sie schließlich und blickte zurück zu Damian. Nachdenklich stocherte er in der Glut. Er hob den Blick und sah sie an; Direkt und sehr intensiv ruhte er auf ihr. Ein Prickeln entstand auf ihrer Haut, gefolgt von einer Gänsehaut. Seine Augen verfolgten jede ihrer Gefühlsregungen, während er abwog, ob er ihre Fesseln lösen sollte. Die Möglichkeit, dass sie fliehen könnte, sobald er schlief, bestand durchaus. Andererseits konnte es nachts im Wald verdammt finster werden. Sydney war sich nicht sicher, ob sie das Risiko, einem wilden Tier über den Weg zu laufen oder sich gänzlich zu verirren, eingehen wollte.
„Ich werde Eure Fesseln bald lösen.“ Er stand auf und ging zu Schara’k herüber. Dort öffnete er eine der Satteltaschen und holte ein kleines Päckchen heraus. Es handelte sich dabei um ihr Abendessen, erkannte Sydney. Haferbrot und Dörrfleisch. Beim Anblick des – zugegeben einfachen – Mahls, machte sich ihr Hunger mit einem lauten Grummeln des Magens bemerkbar. Trotz des schlechteren Lichts konnte Sydney erkennen, dass Damian einen Mundwinkel hochzog und sein Blick, während er zum Feuer zurückkehrte, kurz zu ihr herüber huschte. Sydney spürte die Röte in ihrem Gesicht und war
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