Gefangene der Welten
um ihn besser betrachten zu können. Sie könnte ihn ernstlich verletzen, wenn nicht gar töten, ging es ihr durch den Kopf und sie ließ ihren Blick von seinem Kopf über den Rest seines Körpers gleiten. Trug er nicht stets eine Waffe mit sich? Der Gedanke ließ Sydney nicht los. Auf leisen Sohlen stahl sie sich aus dem breiten Bett und schlich zur anderen Bettseite. Noch immer lag seine Hose als achtlos hingeworfener Haufen auf dem dicken Teppich. Die Erinnerung daran färbte ihr Gesicht erneut und verärgert biss sie sich auf die Lippe. Dann fand sie, wonach sie suchte. Ein schlanker Dolch mit eingearbeiteten Edelsteinen im Griff. Eine Sekunde lang betrachtete sie die Waffe fasziniert. Dann hob sie ihren Blick. Anspannung ließ sie den Atem anhalten, als sie unter seinem Blick erstarrte.
„Ich an deiner Stelle würde diese Waffe schnell wieder zurücklegen.“ Kein Muskel rührte sich. Seine Augen, dunkel, faszinierend und unergründlich, verfolgten jede ihre Bewegungen „Du könntest jemanden verletzen.“
Der Klang seiner Stimme hüllte sie ein, während sich in seinen Augen das erste Licht des Tages spiegelte. Sydney räusperte sich. Plötzlich fühlte sie sich verlegen. Dann aber straffte sie sich. „Vielleicht war das ja meine Absicht.“ Scharf sah er sie an. „Darüber scherzt man nicht, mein Herz.“ – „Ich scherze nicht.“, erwiderte sie und ihr Blick gewann an Stärke. Ihre Hände umklammerten den Griff der Waffe und richteten die Klinge gegen Damian.
„Komm‘ mir nicht zu nah!“, warnte sie ihn leise. Doch Damian lächelte und sein Blick taxierte sie träge von oben bis unten. „Gestern war dir meine Nähe keineswegs zuwider, Liebste.“
„Ich war betrunken“, Sydney schluckte. „Ich war nicht ganz ich selbst.“
Noch ehe sie reagieren konnte, war Damian mit einem Satz bei ihr und entwand ihr mit einer geschickten Drehung des Handgelenkes den Dolch. „Ich denke nicht, dass dein Verhalten ausschließlich dem Alkohol zuzuschreiben ist, Sydney.“ Er war zu nah, viel zu nah! Sein Körper, viel zu warm, schmiegte sich an sie. Sydneys Herz raste. Damian hielt ihr Handgelenk umfasst; Zurückweichen war unmöglich. Aufgewühlt starrte sie ihn an.
Plötzlich wurde sein Blick weich.
„Hast du nicht in Betracht gezogen, dass deine Gefühle und all deine Empfindungen mir gegenüber wahr und aufrichtig und echt sein könnten?“
„Hör auf!“, hauchte sie und blinzelte. Tränen traten ihr in die Augen und hilflos versuchte sie sich abzuwenden. Abzuwenden von seiner betörenden Nähe, seiner weichen Stimme und dem Ansturm der Gefühle, die er in ihr auslöste.
„Du bist die Auserwählte, Sydney. Diejenige, die längst für mich bestimmt war, bevor wir überhaupt geboren waren. Es ist dein Schicksal an meiner Seite zu sein.“ Unverwandt sah er sie an; beschwor sie, ihm zuzustimmen und es einzusehen.
Stattdessen riss sie sich von ihm los und presste hilflos die Hände auf die Ohren, während sie ihm den Rücken zudrehte und den Kopf schüttelte. „Nein, das ist nicht wahr!“, flüsterte sie. „Ich gehöre nicht hierher, ich gehöre in meine Welt!“
Damian zögerte.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihr Gespräch und Sydney hob erschrocken den Kopf. Sie wandte sich um und blickte Damian aus weit aufgerissenen Augen an. Dieser bedeutete ihr mit einer Geste zurück ins Bett zu steigen, um ihren dürftig bedeckten Körper zu verhüllen. Dann stieg er selbst in die nachlässig hingeworfene Hose und schritt zur Tür. „Wer ist da?“, fragte er. „Ich bin’s, mein Freund. Öffne die Tür und ich beweis‘ es dir!“ Schmunzelnd kam Damian der Aufforderung Richards nach. Dieser fuhr fort: „Ich dachte mir, du würdest gerne erfahren, wie die Geschichte ausgeht?“
Damian nickte. „Allerdings! Ich komme gleich. Warte beim Frühstück auf mich!“ Richard neigte den lockigen Kopf. „Sehr wohl, mein Freund. Aber lass‘ dir nicht zu viel Zeit!“, antwortete er mit einem eindeutigen Blick in Richtung Sydneys, deren Anblick ihm durch das massive Holz der Tür verwehrt blieb.
Als Damian die Tür schloss, warf er ihr einen Blick zu. „Ich werde Maria zu dir schicken.“ Sydney nickte. Damian zögerte einen Herzschlag lang. Dann warf er ihr einen letzten Blick zu und ließ sie allein.
„Warum gibt sie uns kein Zeichen?“
Aufgebracht stapfte Pete zwischen den Bäumen umher und gestikulierte wild in Richtung der Burg. „Sie hätte längst eine Nachricht geben müssen!“
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