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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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nahm.
    Er habe es nur dem Doktor zu Gefallen getan, erzählte Dickson allen, die es hören wollten, und nicht, weil seine besten Freunde es ihm etwa geraten hätten …
    Sie hatten keine Ahnung, wo sie sich befanden, und gaben sich darüber mancherlei Spekulationen hin. Wallis glaubte, daß sie weit nach Süden bis an die Küste Frankreichs oder Spaniens abgetrieben seien. Seit Monaten hatten sie keine Schiffsmaschinen oder Schraubengeräusche mehr gehört, woraus sich folgern ließ, daß sie abseits der Schifffahrtsrouten in einem toten Winkel gestrandet waren. Ihre Chancen, entdeckt und gerettet zu werden, waren verschwindend gering, und nicht zuletzt darum gaben sie sich mit Eifer jener sonderbaren Mischung aus Vulgärpsychologie und mittelalterlicher Inquisition hin, die das Spiel darstellte.
    Abgesehen vom »Handbuch für Marineingenieure, Band I« und einer Anzahl fettiger Blaupausen gab es an Bord nichts zu lesen, und das Spiel hatte nicht zuletzt den Sinn, diesem Mangel abzuhelfen. Meistens begann es damit, daß das Opfer sich an einen willkürlich gewählten Tag seiner Vergangenheit zu erinnern hatte. Zuerst war da gewöhnlich nichts, eine leere Stelle im Gedächtnis. Aber dann befragten die anderen vier das Opfer eingehend, bis schließlich irgendeine kleine Einzelheit zum Vorschein kam, und sie drängten und forschten weiter, wenn es sein mußte, tagelang, bis die Erinnerungen an jenes winzige Segment seiner oder ihrer Lebenszeit vollständig ausgegraben waren. Am Ende einer solchen Befragung waren alle Teilnehmer so erschöpft, als hätten sie Stunden am Generator die Pedale getreten, und ihr Schlaf war gesichert.
    Manchmal schlossen die gesuchten Erinnerungen Gespräche ein, die das Opfer geführt oder mitgehört hatte, und in solchen Fällen wurde von ihm oder ihr verlangt, alle Beteiligten bis ins Letzte zu beschreiben und ihre Stimmen und Gebärden zu imitieren. Die Fragesteller ließen das Opfer den Vorgang so oft wiederholen, daß sie ihn genauso gut kannten wie der oder die Betreffende selber. Nicht selten übernahm jeder von ihnen die Rolle einer der erinnerten Personen, imitierte deren Stimme und Handlungen, so daß aus einer Erinnerung, von der bis vor kurzem nicht einmal das Opfer etwas gewußt hatte, eine sorgfältig nachvollzogene Theaterszene wurde.
    Da es keine großen Schwierigkeiten bereitete, sich an die dramatischen Ereignisse im Leben zu erinnern, galten das Hauptinteresse und der eigentliche Spaß des Spiels dem Zweck, sich normaler, gewöhnlicher Vorkommnisse zu entsinnen: zum Beispiel Dicksons Erinnerung an den zwölften April 1935 zwischen vier und fünf Uhr nachmittags, als er von der Schule nach Haus gekommen war. Margaret hatte seine Mutter dargestellt, die zu seinem Vater, dem Doktor, gesprochen hatte, während Wallis die Rolle seines jüngeren Bruders gespielt hatte. Jenny schließlich, die über ein äußerst lebhaftes Mienenspiel verfügte, war das im Wohnzimmer laufende Radio gewesen.
    Gelegentlich verwirklichte der Arzt sein Lieblingsprojekt und versuchte ihren Gedächtnissen Wort für Wort den Inhalt verschiedener Bücher zu entlocken, die sie einmal gelesen hatten. Anfangs hatten sie dies alle für unmöglich gehalten, aber als Wallis entdeckte, daß er mehrere Szenen aus »Alice im Wunderland« rezitieren konnte, begannen sie anders darüber zu denken.
    Es war beinahe erschreckend, wie gut ihre Gedächtnisse geworden waren, und wieviel ihnen das Spiel inzwischen bedeutete.
    Der Dezember kam, und das Wasser verlor den letzten Rest seiner im Sommer aufgespeicherten Wärme. Der Doktor, nachdem er »Alice im Wunderland« vollständig geborgen hatte, machte sich mit frisch entfachter Begeisterung daran, in Dicksons und Wallis’ Gedächtnissen nach »Julius Cäsar« zu graben, in welchem Stück beide Rollen gehabt hatte, als sie noch in die Schule gegangen waren. Zugleich quetschten sie aus Margaret in gemeinsamer Anstrengung »Madame Butterfly« heraus. Dies war auch die Zeit, in der – wie Dickson es ausdrückte – seine Frau schöner denn je war, obgleich sie eine entschieden birnenförmige Gestalt angenommen hatte, und es war die Zeit, als die zweite biologische Uhr stehenblieb.
    Als Wallis ihn davon unterrichtete, fluchte der Doktor wie ein Kutscher und war für den Rest des Tages für niemanden zu sprechen.
     

14
     
    »Es besteht absolut kein Grund zur Besorgnis«, sagte Hellahar, als sie nach der Untersuchung wieder allein waren. »Sie müssen sich

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