Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
bei ihren leisen Worten. „Ich bin zwar nur eine Mediale, aber ich spüre deinen Schmerz über die Unfähigkeit, dich zu verwandeln.“ Es war verwirrend, aber darum nicht weniger wahr.
Dorian fühlte sich, als hätte sie ihn mit dieser Aussage k.o. geschlagen. Er hatte es so verdammt gut verstanden, diesen genetischen Defekt zu überwinden, dass er alle – einschließlich sich selbst – davon überzeugt hatte, es spiele keine Rolle. Auf einer Ebene stimmte das sogar. Er war stolz darauf, was er aus sich gemacht hatte, einen Gestaltwandler, der absolut in der Lage war, sein Rudel und seine Familie zu verteidigen. Aber … „Ich konnte sie nicht retten.“ Das Geständnis zerriss ihm das Herz.
Ashaya griff unter dem T-Shirt nach seinen Händen. „Nach allem, was ich weiß, war Santano Enrique eine Bestie. Du darfst die Erinnerung an deine Schwester nicht durch das abgrundtief Böse vergiften lassen.“
„Ich habe geschworen, den Rat zu vernichten.“ Saschas empathische Gabe hatte ihn davor bewahrt, ein nur von Rache getriebenes Tier zu werden, aber er war ein Gestaltwandlerraubtier. Er konnte es nicht einfach vergessen. „Sie haben Enrique aufgebaut, sich vor ihn gestellt und verteidigt. Ich will ihr Blut fließen sehen.“
„Dein Hass wird dich zerstören“, murmelte sie. „Er wird … uns zerstören.“
Ein Schauer lief durch seinen Körper, er barg sein Gesicht an ihrem Hals. Ihre krausen Haare waren wie ein warmes Kissen und rochen so verführerisch weiblich, dass er keine Worte dafür fand. Dorian legte die Arme um sie und hielt sie einfach fest, erlaubte sich diese Berührung, nahm Ashaya als seine Gefährtin an. Obwohl sie aus dem Volk stammte, auf das er seinen ganzen Zorn, seinen ganzen Schmerz gerichtet hatte … damit er seine eigene Schuld verdrängen konnte.
Die kühle Hand einer Wissenschaftlerin legte sich auf seine Wange, Ashaya wandte den Kopf. „Die Leute behaupten immer, Gestaltwandler brauchten mehr Berührung als alle anderen, aber das stimmt nicht. Vor langer Zeit, vor Silentium, brauchten Mediale sie mehr.“
Er nahm ihre Worte wie liebevollen Regen in sich auf. Die Gefährtin versuchte, sein Leid zu lindern, indem sie ihm sagte, dass sie doch nicht so unterschiedlich waren.
„Wir waren so sehr in unseren Köpfen, hielten uns so viel auf der geistigen Ebene auf, dass wir Angst bekamen. Körperliche Empfindungen sollten uns Halt geben, uns in die Wirklichkeit zurückholen.“
„Hat es funktioniert?“
Sie strich ihm zart über das Gesicht, und er spürte, wie sich die Katze in ihm hingab. „Ja“, sagte sie. „Nicht einmal Silentium konnte es rückgängig machen. Selbst die Stärksten unter uns ziehen sich nicht völlig aus ihrem Körper zurück. Berührung war unsere Rettung.“
„Dann rette mich, Shaya.“ Er öffnete ihr sein Herz, legte es ihr zu Füßen.
Sie wandte sich ihm aufmerksam zu. Dann erhob sie sich auf die Zehenspitzen, nahm seine Gesicht in beide Hände und näherte sich ihm. Ihr Kuss war ganz unschuldig, verletzlich, so zärtlich, dass er ihn zu ihrem Sklaven machte.
„Dorian“, sagte sie, und es war wie eine weitere Liebkosung. Ihre Hand glitt auf seine Schulter, zarte Finger strichen über seine Wange und legten sich dann auf sein Herz.
Ob nun beabsichtigt oder nicht, er wusste, dass sie ihm auf eine sehr weibliche Art ihr Zeichen aufdrückte. „Mehr“, verlangte er, gierig, ausgehungert und bereit, sie zu nehmen.
36
Anstatt seiner Bitte zu folgen, drückte sie stärker gegen seine Brust. „Du bist ein unglaublich gut aussehender Mann“, sagte sie. „Perfekter Körperbau, blonde Haare und so blaue Augen, dass man immer wieder verblüfft ist. Dein einziger ‚Makel‘ ist diese Tätowierung.“ Sie strich über die drei gezackten Linien auf seinem rechten Oberarm. „Ein Abbild der Male auf dem Gesicht deines Alphatiers?“
Dorian nickte.
„Ein Symbol absoluter Treue.“ Ihr Mund öffnete sich. „Was dich nur noch schöner macht.“
Er spürte, wie er rot wurde. Soweit es ihn betraf, war sein gutes Aussehen nur eine weitere Hürde, die es zu überwinden galt. „Hat lange gedauert, ehe mich die Leute ernst nahmen.“
„Ja, aber weißt du was, Dorian?“, sagte Ashaya und strich mit der Hand über seine Brust. „Mich schüchtert es ein.“
„Auf der Couch heute Nachmittag kamst du mir gar nicht schüchtern vor.“ Er griff ihr spielerisch ins Haar. Die wilde Mähne, die in tausend Farben von goldenem Braun bis hin zu reinem
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