Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
Reaktion hatte dieselbe Quelle wie sein irrationaler Beschützerinstinkt – der rational denkende Teil von ihm wusste, dass Mercy nur ihre Arbeit machte und die Interessen des Rudels vertrat. Genau das sollte er auch tun – anstatt eine Frau zu bewachen, die schon im nächsten Moment den Leoparden ein Messer in den Rücken stoßen konnte.
Doch er stand wie erstarrt da. Verdammt.
Vaughns Stimme unterbrach seine Gedanken. „Anthony meinte, sie habe eine neue Identität samt Bankkonto und Anweisungen, wohin sie gehen soll. Vielleicht verschwindet sie einfach, sobald sie aufwacht. Wenn nicht, könnten wir ihr Wissen nutzen – als Ausgleich für unsere Hilfe.“
„Richtig.“ Mercy legte die Stirn in Falten. „Außerdem haben wir ihren Sohn. Sie wird bestimmt nicht ohne ihn gehen wollen, nicht nachdem sie so viel für seine Befreiung riskiert hat.“
„Und wir können ihn nicht vom Sternennetz trennen“, erinnterte Vaughn sie. „Die Verbindung hält uns zwar nicht von Reisen ab, aber ich habe mit Sascha gesprochen, und sie kann nicht sagen, was passiert, wenn ein Medialer sich zu weit vom Netzwerk entfernt. Wäre nicht gut, das mit einem Kind auszuprobieren.“
Dorian sah Ashaya an und fragte sich, ob Mercy recht hatte. Hatte Ashaya für ihren Sohn gekämpft? Oder hatte sie ihn einfach nur aus der Schusslinie genommen, damit sie ihre eigenen undurchschaubaren Ziele verfolgen konnte? Die Raubkatze und der Mann zerbrachen sich gleichermaßen den Kopf darüber, denn eines war sicher: Wenn sie eine Spionin war, hatte sie sich selbst ans Messer geliefert.
In seinem Haus in einem anderen Teil des Territoriums unterbrach Clay Bennett seine Arbeit und schaute nach, warum sein Handy aufgeleuchtet hatte. „Nachricht von Teijan“, sagte er zu Tally und reichte ihr das Klebeband.
Sie nahm es entgegen, warf ihm eine Kusshand zu und verpackte weiter das Geburtstagsgeschenk für Noor. Das kleine Mädchen war den ganzen Tag über schon so hellwach, dass es schwer war, etwas vor ihr geheim zu halten. „Was will er?“
„Ich habe ihn um einige Informationen gebeten.“ Clay gab Teijans Nummer ein und wartete.
Die Ratte schien überrascht zu sein. „Warum bist du um Mitternacht noch auf?“
„Geht dich nichts an.“ Er lachte, als Tally tadelnd die Stirn runzelte. Sie versuchte immer noch, ihm beizubringen, nicht so abweisend zu sein. „Hast du etwas für mich?“
„Ja.“ Teijan zögerte. „Warte einen Moment, Aneca schläft.“
Clay wartete, bis Teijan sich ein Stück von Anecas Bett entfernt hatte. Das sechsjährige Mädchen war die einzige Gestaltwandlerratte, die im letzten Jahrzehnt in dieser Stadt geboren worden war. Es war ein Zeichen des wachsenden Vertrauens zwischen Ratten und Leoparden, dass Teijan ihnen das mitgeteilt hatte. „Was tust du bei ihr?“, fragte Clay.
„Babysitten. Freier Abend.“
Clay musste grinsen, als er sich den drahtigen Kämpfer der Ratten als Babysitter vorstellte. „Ziemlich spät dafür.“
„Sie haben etwas von einem Hotelzimmer gesagt. Ich wette, sie sind trotzdem in ein paar Stunden zurück.“ Teijan lachte. „Können sie einfach nicht lange allein lassen.“
„Warte nur, bis du auch Kinder hast“, sagte Clay. „Sobald du nicht hinguckst, schlagen sie dir die kleinen Krallen ins Herz, und das war es dann.“ Seine Mundwinkel zuckten bei dem Gedanken an Noor, die an diesem Abend vier Gute-Nacht-Geschichten aus ihm herausgepresst hatte. Er streckte die Hand aus und hielt das Papier fest, während Tally es mit dem Band zuklebte. Ihre Hand strich zum Dank über seine Finger, und sein Zwerchfell zog sich zusammen. „Also, was hast du gehört?“
„Über die geflohene Wissenschaftlerin? Dies und das. Was willst du denn wissen?“
Clay hatte keine Ahnung, wie die Ratten an ihre Informationen kamen. Er war nur verdammt froh, dass sie nicht mit den Medialen, sondern mit den Leoparden verbündet waren. „Vielleicht irgendetwas über Verfolgung?“
„Noch nichts Genaues – nur Gerüchte über die Flucht eines hohen Tiers. Aber ich habe etwas anderes Interessantes gehört.“
„Schieß los.“
„In Las Vegas und Los Angeles munkelt man, dass Jax-Junkies von den Straßen verschwinden.“
Jax war eine Medialen-Droge. Gestaltwandlerkörper mutierten unter Jax-Einfluss, was diese entschieden davon abhielt, es zu probieren. Auf Menschen schien es keine besondere Wirkung zu haben, deshalb waren Mediale die Einzigen, die das Zeug nahmen. „Räumt der Rat
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