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Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne

Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne

Titel: Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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Mutter sein müssen.
    Ashaya rollte sich wie ein Embryo zusammen, versuchte sich einzureden, dass sie nur nachdachte und die nächsten Schritte plante. Aber sie konnte diese Lüge nicht schlucken. Die Vergangenheit holte sie ein, Risse zeigten sich in den zerbrechlichen Schilden von Silentium, mit denen sie ihren Geist umgeben hatte.
    Bei unserer ersten Begegnung dachte ich, Ihr verdammtes Herz sei aus Eis, aber ich habe Sie nie für feige gehalten.
    Dorian hatte recht. Sie war ein Feigling. Sich von ihrem Sohn fernzuhalten, wenn sie ihm mit einer einzigen Kugel die schlimmste Bestie auf Erden vom Leib halten konnte. Wenn Amara nicht mehr da war, musste Keenan die fürchterliche Wahrheit nicht einmal erfahren. Ashaya brauchte nur in zwei Augen zu blicken, die genauso aussahen wie die eigenen, in ein Gesicht, das sie zu lieben geschworen hatte, in einen Geist, der mit ihrem schon im Mutterleib verbunden gewesen war, und den Abzug zu drücken.
    Ihr Magen revoltierte.
    Sie widerstand dem Bedürfnis, sich zu übergeben, und gab sich der kühlen Betrachtung ihrer DNA-Strukturen hin, befahl sich selbst einzuschlafen. Nichts passierte. Jedenfalls nicht sofort. Quälende Minuten, vielleicht sogar Stunden lag sie wach. Als die Erschöpfung sie schließlich übermannte, kehrte sie zu dem Augenblick in ihrem Leben zurück, den sie am meisten von allen vergessen wollte … der aber pünktlich jede Nacht wieder auftauchte.
    Sie befand sich in einem Loch, Erde umgab sie.
    Ein Grab, flüsterte es in ihr.
    Wie schon einmal.
    Nein, sagte sie sich und griff nach Silentium. Sie war siebzehn, hatte gerade das Programm abgeschlossen und die Ausbildung in ihren besonderen Fähigkeiten mit Auszeichnung bestanden. Der Rat wollte ihr einen Ausbildungsplatz in einem seiner besten Labore anbieten. Sie würde annehmen. Sie konnte nicht in einem Grab sein. Über ihr war Holz – Bretter, da oben waren Bretter.
    Na also, kein Grab. Aber die Luft war schwer und dumpf, sie bekam kaum Luft.
    „Amara“, sagte sie und bat um Hilfe, um eine Erklärung.
    Die einzige Antwort war das Geräusch von auf Holz prasselndem Sand und Steinen. Erde rieselte zwischen den Brettern hindurch. Ein Stück Holz fiel herunter und quetschte ihr Bein ein. Sie bemerkte es nicht, ihre Ruhestätte wurde mit Erde zugeschüttet, niemand würde sie hören. Sie hätte ins Medialnet gehen können und dort um Hilfe rufen.
    Aber das konnte sie nicht. Denn als ihr klar wurde, dass sie wieder begraben war, zerriss etwas in ihr. Sie verlor ihr menschliches Wesen, ihren Verstand, in ihr tobte nur noch das reine Chaos. Sie schrie, bis ihr Hals ganz wund war, ihre Hände blutig und ihre Wangen tränenüberströmt.
    Sie schrie, bis Amara beschloss, sie wieder auszugraben.
    Ashaya erwachte aufs Äußerste angespannt, gab aber keinen Laut von sich. Es ging nicht anders. Wenn sie im Labor schreiend aufgewacht wäre, hätte sie andere auf ihren anormalen Zustand aufmerksam gemacht. Und Ashaya hatte nicht im Zentrum landen wollen, wo ihre Persönlichkeit ausgelöscht worden wäre und man sie auf den Zustand einer Debilen reduziert hätte.
    Schlaf würde sie jetzt keinen mehr finden; sie stand auf, die dunkelrote Pyjamahose und das schwarze T-Shirt waren wohl eine ausreichende Bekleidung, falls Dorian noch wach sein sollte. Die Hand schon auf der Türklinke, überlegte sie, ob sie das Risiko eingehen sollte, mit ihm zu sprechen.
    Er würde sie wieder feige nennen.
    Sie hielt ihr Verhalten für Vorsicht.
    Denn Dorian riss große Löcher in ihre Rüstung, ließ sie alles infrage stellen, selbst ihre Entscheidung, sich von Keenan fernzuhalten. Ihre Hand schloss sich fester um die Klinke. Dorian verstand nichts. Alles, was sie seit Keenans Empfängnis getan hatte, hatte nur dazu dienen sollen, ihn in Sicherheit zu bringen.
    Erde in ihrer Kehle, Kies zwischen den Zähnen.
    Sie schüttelte die Erinnerung ab und öffnete die Tür. Niemand war im Wohnzimmer der sicheren Unterkunft, aber eine Wandlampe brannte. Es war hell genug, um die Küchenzeile zu finden. Dort nutzte sie nicht die Anlage, die auf Stimmen reagierte, sondern schaltete per Hand das Licht an. Es war schon fünf Uhr morgens, und sie wollte frühstücken.
    Mediale ernährten sich gewöhnlich mit Energieriegeln, und Ashaya fand das in Ordnung – diese Nahrung stellte dem Körper alles zur Verfügung, was er brauchte. Dennoch war sie durchaus in der Lage, ein konventionelles Frühstück zuzubereiten. Sie fand Milch, eine noch

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