Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
streichelte ihn. Er schnurrte innerlich, bewegte sich nicht, um den Zauber nicht zu zerstören.
„Da die notwendigen Maschinen bereitstehen“, fuhr sie fort, „ist die Fähigkeit eigentlich überflüssig. Man muss sie mit bestimmten Forschungen in Zusammenhang bringen – meine Vorliebe, im Bereich von Nanotechnik und Implantaten zu arbeiten, hat das Interesse des Rates geweckt. Bei dieser Art von Mikrotechnologie war ich durch meine Fähigkeiten eindeutig im Vorteil.“
Wie würde sie wohl reagieren, wenn er der Versuchung nachgeben und mit der Zunge über ihre volle Unterlippe fahren würde? „Wie funktioniert Ihre Gabe?“, fragte er und ballte die Fäuste, um sich besser zusammenreißen zu können. „Sehen Sie mich einfach an und erkennen meinen genetischen Aufbau?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht ganz. Je nachdem, was ich suche, kann es Stunden, Tage oder Wochen, manchmal sogar Monate dauern, die DNA zu entschlüsseln.“
„Warum erzählen Sie mir das alles?“ Er war Wächter der Leoparden. Selbst wenn ihn dieses unerwünschte Verlangen halb wahnsinnig machte, arbeitete sein Verstand noch völlig zufriedenstellend. Es musste einen Grund für die ungewöhnliche Offenheit geben. „Was wollen Sie von mir?“
Sie biss sich auf die Unterlippe.
Seine ganze Libido war in Aufruhr. In seinen Ohren rauschte das Blut so stark, dass er beinahe ihre nächsten Worte nicht verstanden hätte.
„Ich will Ihre DNA.“
19
Als der Psychologe damals vorschlug, ich solle meine Albträume aufschreiben, um besser mit ihnen umgehen zu können, hat er mir unabsichtlich ein unschätzbares Geschenk gemacht. Nachdem sich mein Zustand stabilisiert hatte, wurde das Tagebuch offiziell geschlossen. Die Wahrheit ist aber, dass ich mich nie von dem Trauma erholt habe und weiter Tagebuch führe.
– aus den verschlüsselten Aufzeichnungen Ashaya Aleines
Ashaya lag im Dunkeln, sie war erschöpft, konnte aber nicht schlafen.
Ekaterina war tot.
Alle anderen waren ebenfalls nicht mehr am Leben. Weil sie loyal zu ihr gestanden hatten. Ashaya hätte gern geglaubt, dass einige trotz allem entkommen waren, aber sie kannte Ming LeBon. Er hatte hart und ohne Vorwarnung zugeschlagen. Das gesamte Labor war verkabelt gewesen, es sollte von innen heraus explodieren können – man hatte ihnen gesagt, es sei eine Vorsichtsmaßnahme gegen die ungewollte Ausbreitung einer biologischen Waffe.
Nun hatte Ming sich diese „Sicherheitsmaßnahme“ zunutze gemacht, und wenn er Ekaterina nicht vorher abgezogen hatte, weil er sie noch brauchen konnte, war sie tot. Aber selbst wenn er das getan hatte, war die Frau, die Ashaya gekannt hatte, so gut wie tot. Ming hätte in diesem Fall seine Fähigkeiten genutzt, um sie in eine willenlose Marionette zu verwandeln. Ashaya wollte darüber gar nicht nachdenken. Es war besser, wenn Ekaterina eines schnellen Todes gestorben war.
Wie die anderen. Wie so viele.
Ashaya hätte ihre Augen gerne vor der brutalen Realität dieser Tode verschlossen, aber dazu hatte sie kein Recht. Denn ganz egal, was Dorian auch sagte, es war ihre Schuld. Wenn sie den Rat nicht mit dieser Sendung provoziert hätte, wäre Ekaterina noch am Leben. Ashaya verstand nur nicht, warum Ming unterschiedslos alle getötet hatte. Er kannte sie doch nur als perfekte Mediale, ohne jenen emotionalen Defekt, der sie um ihre toten Kollegen trauern lassen würde. Wollte er ihr damit vielleicht nur eine Nachricht zukommen lassen? Handelte er dermaßen kalt und überlegt?
Ja, dachte sie, und ihr fiel ein, was er damals zu ihr gesagt hatte.
Sie sind zu wichtig. Ich würde Sie nie einfach nur töten.
Nein, er würde sie erst foltern und dann ihren Willen brechen. Selbst wenn er dafür jeden umbringen musste, der ihr beistand.
Keine Überlebenden.
Falsch, dachte sie grimmig. Es gab Überlebende – Wissenschaftler von außen, die sich wegen des Implantats auf ihre Seite gestellt hatten. Sie hatten sich auch vergewissert, dass ihre Nachricht über Keenan Talin McKade erreichte – Zie Zen hätte sie vielleicht doch zurückgehalten. Soweit Ashaya wusste, kannten nur sie und Zie Zen die Namen dieser mutigen Männer und Frauen. Zie Zen würde man niemals der Rebellion verdächtigen. Blieb also nur Ashaya. Sie durfte Ming nicht in die Fänge geraten. Denn wenn er in ihr Bewusstsein eindrang, würden noch mehr Leute sterben.
Noch mehr Blut würde an ihren Händen kleben.
Ach, Ashaya, du warst sehr, sehr ungezogen.
Sie werden Ihrem Sohn eine
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