Gefechte der Leidenschaft
dann hob er die Pistole und ließ sie auf den Kopf des Jungen niedersausen. Voller Entsetzen rappelte sich Lisette auf und schrie gellend vor Verzweiflung.
Doch der Schlag traf nicht. Plötzlich tauchte Figaro auf, der Squirrel dicht auf den Fersen gewesen war. Mit einem Satz, der seinen wölfischen Vorfahren alle Ehre gemacht hätte, schnappte er nach Moisants Arm und verbiss sich grollend darin. Da kam auch schon Caid ins Zimmer gestürzt, packte Moisants anderen Arm und drehte ihn so ungestüm auf den Rücken, dass der sofort die Pistole fallen ließ. Zugleich schlug Squirrel mit seinen kleinen, harten Fäusten unablässig auf Moisants Beine ein, während ihm die Tränen über die schmutzigen Wangen liefen.
»Du hast meine Madame umgebracht ... du hast meine Madame umgebracht!«, jammerte er unablässig.
Caid warf einen forschenden Blick über die Schulter zu Lisette und ließ seine Augen mit einem Ausdruck von äußerster Verzweiflung auf dem Blutfleck auf ihrem Mieder ruhen. Dann stieß er Moisant von sich. Der krachte gegen einen Tisch, auf dem eine Vase stand, ging inmitten eines Schauers von Palmwedeln zu Boden und brachte sich dann auf Händen und Knien kriechend im Nebenzimmer in Sicherheit.
Mit wenigen geschmeidigen Schritten war Caid an Lisettes Seite. Er zog ihre blutbesudelten Hände von ihrer Brust, so vorsichtig, als habe er Angst, sie zu berühren, und legte eine Hand auf den feuchten, leuchtend roten Fleck über ihrem Herzen.
»Es ist nur meine Hand«, hauchte sie, unendlich gerührt über den abgrundtiefen Schmerz, der in seinen klaren, blaugrünen Augen lag.
»Mein Gott«, flüsterte er, beugte sich über ihre Hand und küsste die blutigen Finger. Dann schloss er Lisette in seine Arme. »Ich dachte, ich hätte dich verloren.«
Auf einmal war der Raum voller maitres d'armes, die alle durcheinander redeten, Squirrel aufhoben, ihn beruhigten und auf Verletzungen untersuchten. Als sie ihn unversehrt fanden, strubbeiten sie sein Haar und gratulierten ihm zu seiner Tapferkeit, so als habe er sich einem wütenden Löwen entgegengeworfen. Wie aus weiter Ferne sah Lisette ihnen zu, staunend und froh und mit einem solchen Gefühl der Sicherheit, als habe es nie einen Zweifel gegeben, dass sie ihr zu Hilfe eilen würden. Ihr war ein wenig schwindlig, doch fühlte sie sich unendlich geborgen in den starken Armen, die sie hielten. Caids ausdrucksvolles Kinn war so nahe, dass sie mit den Fingern über die kleinen Stoppeln auf seiner Wange hätte fahren können, wenn ihre Hände ihr nur gehorcht hätten. Er trug keinen Gehrock. Sie sah, wie ihr Blut Flecken auf dem weißen Leinenstoff seines Ärmels hinterließ, doch ihn schien das nicht zu kümmern. Lisette fühlte sich plötzlich ganz benommen von all dem Blut und dem beunruhigenden Geruch, den es verbreitete.
»Pass auf, Caid«, sagte Nicholas warnend, »sie wird gleich ohnmächtig.«
Sofort hob Caid sie hoch, trug sie hinüber zu dem Damensofa, ließ sie vorsichtig darauf nieder und legte ihr ein Kissen unter den Kopf. Dann gab er die knappe Anweisung: »Holt einen Arzt, sofort!«
Im selben Augenblick hallte ein Schuss. Wie von weit her nahm Lisette den darauf einsetzenden Tumult wahr, hörte die Schritte der Suchenden durchs Haus klappern und schließlich Rio, der mit den Worten: »Es ist Moisant. Er hat sich in den Kopf geschossen!«, ins Zimmer stürmte.
»Tot?«, fragte Caid über die Schulter, während er dabei war, Lisettes verletzte Hand mithilfe seines Halstuches hochzubinden.
»Mausetot.«
»Gut so«, sagte Caid.
Lisette schloss seufzend die Augen. Trotz ihrer Schmerzen fühlte sie sich sicher, absolut geborgen, zumindest für diesen kurzen, flüchtigen Augenblick.
Dann war der Moment vorüber. Doktor Labatut kümmerte sich um sie, bevor man sie in eine eilig herbeigerufene Mietdroschke packte und in ihr Stadthaus fuhr. Dort wurde sie von Agatha empfangen, die sich in Verzweiflung und Selbstvorwürfen erging, und endlich brachte man sie zu Bett, nachdem man sie gebadet und verbunden und ihr einen laudanumhaltigen Schlaftrunk verabreicht hatte. Lisette wehrte sich vergeblich gegen die ganze Prozedur, doch der Arzt meinte, sie stünde unter Schock und brauche neben dem Schmerzmittel vor allem Ruhe. Die Kugel habe einen Knochen zerschmettert und Nerven durchtrennt, erklärte Labatut weiter. Zwar würde sie wohl ihre Hand wieder gebrauchen können, doch ein gelegentliches Gefühl der Steifheit und eine Narbe würden Zurückbleiben. Das
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