Gefechte der Liebe: Roman (German Edition)
erfüllen.
Er verlor keine Zeit und stopfte das Kind in die Kissenhülle, allerdings ganz vorsichtig, um es nicht zu wecken. Es war erst vier Monate alt. Wenn das Baby aufwachte, würde es bestimmt weinen. Er musste einen langen Flur und einen engen Korridor durchqueren, um zu der Treppe zu gelangen, die zu der Seitentür führte, durch die er hereingekommen war, und dabei noch zwei Wachen umgehen. An sich kein Problem, allerdings nur, solange das Baby nicht schrie.
Letzte Nacht hatte er ein Seil an der hinteren, von der Stadt abgewandten Mauer der Festung angebracht. Sein Pferd hatte er am Abend dort in einem kleinen Wäldchen angebunden. Er hatte diese Vorbereitungen getroffen, weil die Tore der Festung nachts geschlossen und schwer bewacht waren, und er brauchte einen anderen Fluchtweg. Doch die Schlossmauern stellten ebenfalls eine Herausforderung dar. Auch wenn sich Lubinia nicht im Krieg befand, patrouillierten dort in der Nacht zahlreiche Wachen.
Zum Glück schien der Mond diese Nacht nicht. Lampen erhellten den Schlosspark, aber das war ein Segen, denn sie erzeugten Schatten, in denen er sich verstecken konnte, während er eilig durch den Park huschte. Er kam ohne Zwischenfall zur Festungsmauer und stieg die schmale Treppe nach oben. Das Baby schlief noch; die Wachen befanden sich momentan an der vorderen Mauer. In wenigen Momenten würde Leonard das Schloss verlassen. Er hatte den improvisierten Sack an seinem Gürtel befestigt, denn er brauchte beide Hände, um an dem Seil hinabzuklettern. Der Sack schaukelte leicht auf dem Weg nach unten und schlug einmal an die Wand. Ein Wimmern drang aus dem Beutel – nicht laut, und niemand außer ihm konnte es hören.
Endlich war er in Sicherheit, auf seinem Pferd. Er verbarg den Sack im Inneren seiner Jacke. Es kam kein weiterer Laut mehr heraus. Er ritt schnell über die Berge, ritt, bis der Morgen anbrach. Schließlich hielt er auf einer offenen Lichtung an, weit genug entfernt von jeder Stadt, weit weg von Beobachtern oder Verfolgern. Die Zeit war reif. Er musste die Sache schnell zu Ende bringen. Seitdem er wusste, worum es bei diesem Auftrag ging, hatte er das Messer, das er verwenden wollte, jeden Tag geschärft.
Er holte das Bündel aus der Jacke, öffnete die Kissenhülle und ließ sie zu Boden fallen. Er hielt das schlafende Baby in einem Arm, zog das Messer aus seinem Stiefel und hielt die Klinge an den winzigen Hals. Dieses unschuldige Ding hatte es nicht verdient, zu sterben, derjenige, der ihn bezahlte, hingegen sehr wohl. Aber Leonard hatte keine Wahl. Er war nur das Werkzeug. Wenn er es nicht tat, würde ein anderer es tun. Zumindest konnte er es so schmerzlos wie möglich erledigen.
Er zögerte einen Moment zu lange.
Das Kind in seinem Arm war aufgewacht. Es blickte ihn direkt an – und lächelte.
Kapitel 1
D ie lange Klinge bog sich, als Alana die Degenspitze fest auf die Brust des Mannes setzte, der vor ihr stand. Sie hätte ihn glatt erdolcht, hätten die beiden nicht gepolsterte Schutzwesten getragen.
»Du hättest diese Bewegung schon vor drei Minuten ausführen müssen«, sagte Poppie und nahm die Maske ab, so dass sie die Missbilligung in seinen scharfen blauen Augen erkennen konnte. »Was lenkt dich heute so ab, Alana?«
Entscheidungen, dachte sie, drei zu viel! Natürlich war sie abgelenkt. Wie konnte sie sich auf ihre Fechtstunde konzentrieren, wenn sie so viele Dinge im Kopf hatte? Sie musste einen Entschluss fassen, der ihr Leben veränderte. Von den drei völlig verschiedenen Richtungen, die sie einschlagen konnte, besaß jede ihren Reiz, und ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Seit heute war sie achtzehn Jahre alt. Sie konnte die Entscheidung nicht länger vor sich herschieben.
Ihrem Onkel war es immer so ernst mit diesen Fechtstunden. Es war jetzt nicht die Zeit, ihm von dem Dilemma zu erzählen, das sie so beschäftigte. Aber sie musste mit ihm darüber reden und hätte es auch schon viel früher getan, wenn er in den letzten paar Monaten nicht selbst so einen besorgten Eindruck gemacht hätte. Das war eigentlich nicht seine Art. Immer wenn sie ihn gefragt hatte, ob etwas nicht stimmte, hatte er sie mit einem Lächeln abgespeist und es verneint. Auch das war sonst nicht seine Art.
Es war ihr gelungen, ihre eigene Besorgnis vor ihm zu verbergen – bis heute. Er hatte ihr schließlich beigebracht, ihre Gefühle nicht zu zeigen. Im Laufe der Jahre hatte er ihr so viele merkwürdige Sachen beigebracht …
Ihre Freunde nannten
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